Leitsatz

1. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist gem. § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG in richtlinienkonformer Auslegung nur zulässig, wenn keine andere – präzisere – Zurechnung möglich ist.

2. Bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes richtet sich die Vorsteueraufteilung im Regelfall nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel.

3. Vorsteuerbeträge sind aber dann nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen, wenn eine Gesamtwürdigung ergibt, dass erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen (Bestätigung und Fortführung des BFH-Urteils vom 7.5.2014, V R 1/10, DStR 2014, 1162).

 

Normenkette

§ 15 Abs. 4 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003, Art. 17 Abs. 5, Art. 19 Abs. 1 Richtlinie 77/388/EWG

 

Sachverhalt

Die Klägerin errichtete ein Gebäude, das sie im Erdgeschoss steuerpflichtig und in den beiden Obergeschossen steuerfrei vermietete. Nach einem objektbezogenen Umsatzschlüssel ergab sich ein Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten von 51,54 %, nach einem Flächenschlüssel ein Vorsteuerabzug von 23,35 %. Die Klägerin begehrte die Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel, das Finanzamt bestand auf der Anwendung des Flächenschlüssels. Das Finanzgericht (FG Münster vom 8.12.2009, 15 K 1271/06 U, Haufe-Index 2296327) gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache zurück. Im zweiten Rechtsgang sei zu prüfen, ob Ausstattungsunterschiede vorliegen und zu würdigen, ob die Ausstattung der gewerblich vermieteten Räume erheblich von der Ausstattung der privat genutzten Räume abweicht, sodass die Vorsteuerbeträge nach dem Umsatzschlüssel aufgeteilt werden können, wofür insbesondere die unterschiedliche Raumhöhe sprechen könnte.

 

Hinweis

1.Der ewige Streit zwischen Flächen- und Umsatzschlüssel bei der Aufteilung von Vorsteuerbeträgen für gemischt vermietete Gebäude setzt sich fort. Kurz gefasst ist Folgendes derzeitiger Sachstand:

a) § 15 Abs. 4 UStG sieht eine Vorsteueraufteilung nach wirtschaftlicher Zurechnung vor, während das Unionsrecht im Grundtatbestand eine Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens anordnet. Die Richtlinie ermächtigt aber auch zu Abweichungen hiervon, wobei die Mitgliedstaaten Sonderregelungen treffen dürfen, die auf die Zuordnung von Gegenständen und Dienstleistungen abstellen.

Seit 2004 verbietet § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG nach seinem Wortlaut den Umsatz- zugunsten des Flächenschlüssels.

b) Der BFH hatte in der Vergangenheit die unionsrechtliche Grundlage für § 15 Abs. 4 UStG in der Ermächtigung zur Schaffung von Sonderregelungen nach der Zuordnung gesehen. Auf dieser Grundlage war das nationale Recht nicht richtlinienkonform, da die Mitgliedstaaten aufgrund der Ermächtigung zur Schaffung von Sonderregelung nicht allgemein, sondern nur in bestimmten Fällen vom Regelprinzip der Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatz abweichen dürfen.

Nach EuGH-Vorlage hatte der V. Senat durch Urteil vom 22.8.2013 (V R 19/09, BFH/NV 2014, 278) gleichwohl zunächst – in der Tendenz verwaltungsfreundlich – das ab 2004 bestehende Verbot des Umsatzschlüssels nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG im Grundsatz bestätigt, dies aber auf Vorsteuerbeträge eingeschränkt, die der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG unterliegen. Für andere Vorsteuerbeträge, z.B. aus Erhaltungsaufwendungen, konnte es der Unternehmer danach gleichfalls beim Flächenschlüssel belassen oder sich aber insoweit auf das Unionsrecht berufen, das im Grundsatz eine Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens vorsieht. Wesentliches Merkmal dieser Beurteilung war, dass sich der Unternehmer gegen die sich aus dem nationalen Recht ergebende Verpflichtung, Vorsteuerbeträge aus Anschaffungs- und Herstellungskosten nach dem Flächenschlüssel aufzuteilen, nicht auf das Unionsrecht berufen konnte.

c) Dies hat der V. Senat durch sein Urteil vom 7.5.2014 (V R 1/10, BFH/NV 2014, 1177) im Hinblick auf die an dieser Entscheidung geübten Kritik revidiert. Der V. Senat sieht § 15 Abs. 4 UStG nunmehr in vollem Umfang als richtlinienkonform an, da die Regelung entgegen der bisherigen Rechtsprechung auch zur Umsetzung der Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatz diene. Wesentliches Element dieser Sichtweise ist das Abstellen auf eine möglichst präzise Vorsteueraufteilung, wobei Aufteilungsobjekt entsprechend der ständigen Rechtsprechung seit dem BFH-Urteil vom 28.9.2006 (V R 43/03, BStBl II 2007, 417) das Gebäude und die Gesamtheit der hierfür entstandenen Anschaffungs- und Herstellungskosten, nicht aber die einzelnen bei einer Gebäudeerrichtung bezogenen Einzelleistungen sind.

Hierdurch kommt es im Ergebnis nicht zu der von den Kritikern des V. Senats erhofften vollständigen Bestätigung des Flächenschlüssels, sondern im Gegenteil zu einer Wiederbelebung des Umsatzschlüssel...

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