Leitsatz

1. Die Feststellungswirkung gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO bezieht sich nur auf die gemeinschaftlich verwirklichten Tatbestandsmerkmale, nicht aber auf solche, die außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkunftserzielung liegen.

2. Das Wohnsitz-FA darf den Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer grundbesitzenden Personengesellschaft auch dann in einen laufenden Gewinn im Rahmen eines vom Kläger betriebenen gewerblichen Grundstückshandels umqualifizieren, wenn er im Feststellungsbescheid als Veräußerungsgewinn bezeichnet worden ist.

 

Normenkette

§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 182 Abs. 1 Satz 1 AO, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte im Streitjahr 1991 Einkünfte aus einem gewerblichen Grundstückshandel. Daneben war er u.a. an der A-GbR zu 1/3 beteiligt, die Grundstücke und Rückübereignungsansprüche erworben hatte. Im Streitjahr veräußerte der Kläger seine Beteiligung an der A-GbR. Das Betriebsstätten-FA sah – im Gegensatz zum Wohnsitz-FA – einen Veräußerungsgewinn als gegeben an und stellte laufende Verluste i.H.v. 200.000 DM sowie einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 635.000 DM fest. Das Wohnsitz-FA qualifizierte den Veräußerungsgewinn in einen laufenden Gewinn um und setzte die ESt entsprechend fest.

Das FG gab der Klage statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.4.2010, 4 K 379/09, Haufe-Index 2544458, EFG 2011, 1044). Zum Regelungsgehalt eines Gewinnfeststellungsbescheids gehöre auch die Entscheidung über die Zuordnung zu den tarifbegünstigten Einkünften. Eine Umqualifizierung auf der Ebene des Gesellschafters komme nicht in Betracht, da eine solche Verfahrensweise nur zulässig sei, wenn die zutreffende Qualifikation von Merkmalen abhängig sei, die lediglich auf der Ebene des Gesellschafters verwirklicht würden. Dem Betriebsstätten-FA seien sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen erkennbar gewesen; einer Umqualifizierung beim Gesellschafter bedürfe es dann nicht.

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte Erfolg. Der BFH urteilte, das FG habe zu Unrecht die Umqualifizierung eines festgestellten Veräußerungsgewinns in einen laufenden Gewinn im Folgebescheid als nicht zulässig angesehen.

 

Hinweis

Der gewerbliche Grundstückshandel bietet mannigfaltige Probleme – sowohl aus materiellrechtlicher als auch aus verfahrensrechtlicher Sicht, wie dieses Urteil zeigt.

1. Materiellrechtlich bestätigt der X. Senat in diesem Urteil die gefestigte BFH-Rechtsprechung, wonach im Interesse einer sachlich zutreffenden Besteuerung des Gesellschafters alle Tätigkeiten auf dem Gebiet des Grundstückshandels, die dem Gesellschafter zuzurechnen sind, in eine Gesamtwürdigung nach Maßgabe des jeweils einschlägigen Steuertatbestands (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, ggf. § 2 Abs. 1 GewStG)einzubeziehen sind. Dabei wird nicht danach differenziert, ob die unter Beteiligung Dritter abgewickelten Grundstücksgeschäfte auf der Gesellschaftsebene als gewerblich oder lediglich vermögensverwaltend anzusehen sind. Auch darf der Gesellschafter nicht in Abhängigkeit davon unterschiedlich besteuert werden, ob An- und Verkaufsgeschäfte von der Gesellschaft oder von ihm selbst getätigt werden (vgl. dazu Beschluss des Großen Senats vom 3.7.1995, GrS 1/93, Haufe-Index 65389).

Im Streitfall führte das dazu, dass der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft, die einen gewerblichen Grundstückshandel betreibt, als laufender Gewinn anzusehen ist, wenn das Betriebsvermögen der Gesellschaft nahezu ausschließlich aus Grundstücken des Umlaufvermögens besteht (vgl. auch BFH, Urteil vom 14.12.2006, IV R 3/05, Haufe-Index 1684196, BFH/NV 2007, 601).

2. Steht diesem Ergebnis die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides entgegen, der nicht einen laufenden Gewinn, sondern einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn festgestellt hat? "Nein" lautet die Antwort des X. Senats.

Zwar erschöpfe sich die Bindungswirkung nicht allein in der Übernahme des festgestellten Einkünftebetrages und es sei auch ausgeschlossen, über einen Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren entschieden worden ist, im Folgeverfahren in einem damit unvereinbaren Sinne zu entscheiden. Die Umqualifizierung eines festgestellten Veräußerungsgewinns in einen laufenden Gewinn sei aber möglich, da die verfahrensrechtliche Reichweite der Feststellungswirkung gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO in der Weise begrenzt sei, dass sie sich stets nur auf die gemeinschaftlich verwirklichten Tatbestandsmerkmale beziehe, nicht aber auf solche, die außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkunftserzielung lägen. Diese Tatbestandsmerkmale treten vielmehr zu den verbindlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen hinzu; sie gehören nicht in den Regelungsbereich des Grundlagenbescheids, sondern in jenen des Folgebescheids.

Bislang bezogen sich diese von der Rechtsprechung entwickelten Gedanken auf Fallgestaltungen, in denen es um die Umqualifizierung der für die Gesellschaft festgestellten Einkunfts...

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