Leitsatz

Engagieren sich Bürger nebenberuflich als Fahrer in Hol- und Bringdiensten der teilstationären Tagespflege, kann für ihre Vergütungen der Übungsleiterfreibetrag des § 3 Nr. 26 EStG beansprucht werden. Das Finanzgericht Baden-Württemberg stufte die Tätigkeit als begünstigte Pflegeleistung ein und stützte sich maßgeblich darauf, dass die Fahrer persönlichen Kontakt zu den beförderten Senioren hatten.

 

Sachverhalt

Der gemeinnützige Betreiber eines Seniorenzentrums bot pflegebedürftigen Senioren im Rahmen der teilstationären Tagespflege einen Hol- und Bringservice an, sodass sie mit Kleinbussen von ihrer Wohnung abgeholt und später wieder zurückgebracht werden konnten. Für den Fahrdienst band die Betreiberin bürgerschaftlich engagierte nebenberufliche Mitarbeiter ein, denen sie eine Aufwandsentschädigung von 6 EUR bzw. 7,50 EUR pro Stunde zahlte; die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Fahrer lag unter 12 Stunden. Da die Betreiberin davon ausging, dass die Zahlungen unter den Übungsleiterfreibetrag des § 3 Nr. 26 EStG (aktuell: 2.400 EUR pro Jahr) fielen, behielt sie auf die Vergütungen keine Lohnsteuer ein. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Fahrdienste keine durch § 3 Nr. 26 EStG gedeckten Tätigkeiten sind, da die Fahrer keinen persönlichen (pflegerischen) Kontakt zu den Senioren unterhalten, sondern als "Ein-Mann-Besatzung" des Kleinbusses fast ausschließlich einer Fahrtätigkeit nachgehen. Infolgedessen nahm das Amt die Betreibern für nicht abgeführte Lohnsteuer in Haftung.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht wendete die Haftungsinanspruchnahme jedoch ab und urteilte, dass der Hol- und Bringdienst unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 26 EStG gefasst werden kann. Begünstigt werden demnach unter anderem Einnahmen aus der nebenberuflichen Pflege alter, kranker und behinderter Menschen. Da der Gesetzgeber mit der Steuerbefreiung das bürgerschaftliche Engagement für alte Menschen stärken wollte, muss der Begriff der Pflege in diesem Zusammenhang weit ausgelegt werden. Nach Gerichtsmeinung wird auch die Tätigkeit von Fahrern in Hol- und Bringdiensten erfasst, weil sie in unmittelbaren persönlichen Kontakt mit den Senioren treten, ihnen beim Ein- und Aussteigen helfen und sie zur Wohnung begleiten. Auch während der Fahrt erfolgt eine Betreuung, weil der Fahrer die sichere Beförderung verantwortet und bei auftretenden Problemen reagiert.

 

Hinweis

Das Finanzgericht ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu; das Verfahren ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI R 9/18 anhängig.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.03.2018, 3 K 888/16

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