BMF, 24.6.2011, IV C 6 - S 2137/0-03

Zur Anwendung der bilanzsteuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bei der Übernahme von schuldrechtlichen Verpflichtungen nehme ich nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:

1

Verpflichtungen können entweder im Wege einer Schuldübernahme nach den §§ 414 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder durch Übernahme der mit der Verpflichtung verbundenen Lasten (Schuldfreistellung) übernommen werden.

 

1. Schuldübernahme nach §§ 414 ff. BGB

2

Eine Schuld kann von einem Dritten durch Vertrag mit dem Gläubiger in der Weise übernommen werden, dass der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt (§§ 414 ff. BGB). Verpflichtungen können einzeln, im Rahmen einer entgeltlichen Betriebsübertragung nach § 613a BGB oder durch Ankauf aller Aktiva und Passiva eines Unternehmens (sog. Asset Deal) übertragen werden.

3

Der Erwerber eines Betriebes hat die übernommenen Wirtschaftsgüter nach § 6 Absatz 1 Nummer 7 EStG mit dem Teilwert, höchstens jedoch mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung sind Anschaffungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln. Das gilt auch für übernommene Verpflichtungen. In der für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz des Erwerbers kommt der handelsrechtliche Grundsatz der Erfolgsneutralität von Anschaffungsvorgängen jedoch nur insoweit zur Anwendung, als keine steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bestehen; die Regelungen in § 5 Absatz 2a bis 4b, Absatz 5 Satz 1 Nummer 2, § 6 Absatz 1 Nummer 3, 3a und § 6a EStG sind zu beachten.

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In der ersten für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz nach Übernahme von Verpflichtungen führt die Anwendung der in Randnummer 3 genannten Vorschriften regelmäßig zu Gewinnen. Das handelsrechtliche Realisationsprinzip gemäß § 252 Absatz 1 Nummer 4 zweiter Teilsatz HGB kommt wegen der bilanzsteuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte nicht zur Anwendung (vgl. hierzu auch Urteil des Bundesfinanzhofes – BFH – vom 27.1.2010, BStBl 2010 II S. 478, wonach das einen Gewinn verursachende Abzinsungsgebot für Verbindlichkeiten nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 EStG nicht zu beanstanden ist).

5

Beispiel 1

A veräußert seinen Betrieb mit allen Vermögensgegenständen, Schulden und Verträgen an B. Die steuerliche Abschlussbilanz stellt sich wie folgt dar:

  Steuerbilanz A  
     
  Aktiva Passiva  
  Grundstück 200.000 EUR Darlehen 40.000 EUR  
      Kapital 160.000 EUR  

Die stillen Reserven des unbebauten betrieblichen Grundstücks betragen 100.000 EUR. Das betriebliche Darlehen mit einem Nennwert von 50.000 EUR ist unverzinslich und wurde zutreffend mit dem abgezinsten Wert von 40.000 EUR passiviert (§ 6 Absatz 1 Nummer 3 EStG). Nicht ausgewiesen wurde wegen § 5 Absatz 4a EStG der drohende Verlust aus einem für den Betrieb nutzlosen Mietvertrag in Höhe der noch zu zahlenden Mieten (100.000 EUR).

B hat den Mietvertrag mit Zustimmung des Vermieters übernommen. Da in dem Mietverhältnis eine Belastung zu sehen ist, weil der künftigen Zahlungsverpflichtung kein entsprechender künftiger Vorteil gegenübersteht und daher insoweit ein Verlust droht, haben A und B die Mietzahlungsverpflichtung wie die übernommene Darlehensverbindlichkeit kaufpreismindernd berücksichtigt.

Der Veräußerungspreis, den B mit privaten Mitteln bezahlt, wurde zutreffend wie folgt ermittelt:

Grundstück (Buchwert + stille Reserven): 300.000 EUR
abzgl. übernommene Schuld (Darlehen): - 50.000 EUR
abzgl. Drohverlust (noch zu zahlende Mieten): - 100.000 EUR
   
Veräußerungspreis (Zahlung B an A): 150.000 EUR

Für B ergibt sich folgende handels- und steuerrechtliche Eröffnungsbilanz (Ansatz der Anschaffungskosten):

  Eröffnungsbilanz B  
     
  Aktiva Passiva  
  Grundstück 300.000 EUR drohender Verlust 100.000 EUR  
      (Mietzahlungen)    
      Darlehen 50.000 EUR  
      Kapital (Einlage) 150.000 EUR  

In der für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz sind jedoch die steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte zu beachten.

Die übernommene Mietzahlungsverpflichtung des B gegenüber dem Vermieter ist keine (gewisse) Verbindlichkeit, da die künftigen Mieten am Bilanzstichtag noch nicht entstanden sind. Auch scheidet die Bildung einer Rückstellung aus, da es sich um ein (übernommenes) schwebendes Geschäft handelt und somit keine Rückstellung passiviert werden kann (ein Erfüllungsrückstand liegt nicht vor). Aufgrund des schwebenden Geschäftes kommt handelsrechtlich nur – wie beim Veräußerer A – eine Drohverlustrückstellung in Betracht. Ein solcher Ansatz scheidet jedoch steuerlich aus (§ 5 Absatz 4a EStG). Auch andere steuerliche Bilanzposten sind nicht zulässig. Folglich ist die in der Eröffnungsbilanz ausgewiesene Drohverlustrückstellung wegen der Mietzahlungsverpflichtung (gewinnerhöhend) aufzulösen. Das unverzinsliche Darlehen ist – wie bei A – gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 3 EStG mit dem abgezinsten Wert anzusetzen. Das Grundstück ist mit den Anschaffungskosten zu aktivieren.

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