1 Begriff und Zielsetzungen der Treuhandgeschäfte

[1] Vgl. dazu auch Wöhe, Günter/Richter, Lutz: Treuhandverhältnisse (Kap. 6), in: Küting, Karlheinz/Pfitzer, Norbert/Weber, Claus-Peter: Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, 5. Aufl., Stuttgart 2002 ff. (6. Erg.-Lief. 2010), Rn. 301 ff.

1.1 Rechtliche und wirtschaftliche Bestimmung der Treuhandschaft

1.1.1 Rechtliche Interpretation der Treuhandschaft

 

Rz. 1

Allgemein ist ein Treuhandgeschäft ein Rechtsverhältnis zwischen einem Treuhänder und einem Treugeber, das ein aus Sachen oder Rechten bestehendes Treuhandvermögen (Treugut) zum Gegenstand hat. Der Treugeber überträgt das Treuhandvermögen auf den Treuhänder, welcher die entsprechenden Vermögensrechte ausübt und somit wie ein Vertreter in fremdem Interesse tätig ist. Im Unterschied zu einem unmittelbaren Stellvertreter, der nur im Namen des Vertretenen rechtsgeschäftlich handelt, bekommt der Treuhänder dabei die entsprechenden Rechte zur Ausübung im eigenen Namen eingeräumt, unterliegt jedoch simultan der Einschränkung, diese Rechte nur in fremdem Interesse zu nutzen.[1] Somit setzt sich das Treuhandverhältnis[2] aus einem Außenverhältnis, das die Rechtszuständigkeit des Treuhänders am Treugut begründet und seine rechtliche Stellung Dritten gegenüber zum Inhalt hat, und einem Innenverhältnis, das die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Treugeber und Treuhänder regelt, zusammen.[3]

 

Rz. 2

Der Treuhandvertrag ist kein eigener Vertragstyp des BGB und auch die Treuhand an sich erfährt grundsätzlich keine gesetzliche Definition und Regelung. Der begriffliche Inhalt wird daher durch Rechtslehre, Rechtsprechung und wirtschaftliche Praxis entwickelt und ausgefüllt.[4] Dabei existiert kein einheitlicher Typus, sondern es wird zwischen einem engeren juristischen und einem weiteren wirtschaftlichen Begriff der Treuhandschaft unterschieden.[5]

 

Rz. 3

Nach dem engeren juristischen Begriff wird ein Rechtsverhältnis nur dann als Treuhandverhältnis anerkannt, wenn der Treuhänder im Außenverhältnis die volle Rechtsstellung eines Eigentümers hinsichtlich des Treuguts erhält und somit im eigenen Namen als Berechtigter darüber verfügen kann. Im Innenverhältnis muss er dabei aber gewissen vertraglichen Beschränkungen unterworfen sein, sodass er von der Rechtsstellung als Eigentümer nur in dem Umfang Gebrauch machen kann, wie es den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Treugeber und dem wirtschaftlichen Zweck des Treuhandgeschäfts entspricht.[6] Eine Erweiterung des Begriffs innerhalb der juristischen Interpretation kann jedoch dahingehend erfolgen, dass ein Rechtsverhältnis auch dann als Treuhandverhältnis anerkannt wird, wenn dem Treuhänder nicht das rechtliche Eigentum am Treuhandvermögen übertragen, sondern er lediglich ermächtigt wird, über das Treugut im eigenen Namen zu verfügen oder es zu verwalten (sog. Ermächtigungstreuhand).

[2] Die Begriffe "Treuhandgeschäft" und "Treuhandverhältnis" werden im Folgenden synonym verwendet.
[3] Vgl. Coing, Helmut: Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, München 1973, S. 85 f.
[4] Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.: WP-Handbuch, Bd. II, 13. Aufl., Düsseldorf 2008, Rn. H2.
[5] Vgl. Wöhe, Günter: Probleme des Treuhandwesens aus betriebswirtschaftlicher und steuerrechtlicher Sicht, StKgR 1979, S. 301 ff.
[6] Vgl. Creifelds, Carl: Rechtswörterbuch, 19. Aufl., München 2007, S. 1166 f. und Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.: WP-Handbuch, Bd. II, 13. Aufl., Düsseldorf 2008, Rn. H7.

1.1.2 Wirtschaftliche Interpretation der Treuhandschaft

 

Rz. 4

Im Gegensatz zur rechtlichen Definition stellt der weitergefasste wirtschaftliche Treuhandbegriff nicht die dingliche Eigentümerposition des Treuhänders, sondern den wirtschaftlichen Zweck des Treuhandgeschäfts in den Vordergrund.[1] Dieser kann ganz allgemein als die Wahrnehmung fremder Interessen durch den Treuhänder verstanden werden, gleichgültig ob Letzterer dabei nach außen als Eigentümer oder lediglich als zum Handeln für den Treugeber Ermächtigter auftritt.

 

Rz. 5

Die verdeckte Treuhand stellt in diesem Zusammenhang ein Treuhandverhältnis dar, mit dem bezweckt wird, dass der Treugeber nach außen vom Treuhänder vertreten wird und selbst nicht in Erscheinung tritt. Im Gegensatz dazu wird im Rahmen der offenen Treuhand das Treuhandverhältnis nach außen sichtbar. Mit dem Ziel, Gläubiger oder Anteilseigner in einer bestimmten Situation zu schützen, fungiert hier ein Treuhänder als Verwalter zwischen Schuldner und Gläubiger (z. B. Abwickler oder Insolvenzverwalter).[2] Analog zur verdeckten Treuhand existieren zudem Treuhandverhältnisse, bei denen nicht der Treugeber, sondern der Treuhänder nach außen nicht in Erscheinung tritt. Dies ist bspw. bei der Sicherungstreuhand der Fall. Hierbei übereignet der Treugeber (Kreditnehmer und Sicherungsgeber) dem Treuhänder (Kreditgeber und Sicherungsnehmer) das Treuhandvermögen (Sicherungsobjekt). Aufgrund eines Besitzmittlungsverhältnisses bleibt Ersterer jedoch unmittelbarer Besitzer des Treuguts und der Treuhänder darf über das Treuhandvermögen nur verfügen, sofern eine der ...

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