Entscheidungsstichwort (Thema)

Austritt aus der Kirche in der ehemaligen DDR durch Erklärung gegenüber dem Kirchenbeauftragten

 

Leitsatz (redaktionell)

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Steuerpflichtige zu DDR-Zeiten durch eine handschriftliche Erklärung gegenüber dem Kirchenbeauftragten wirksam aus der evangelischen Kirche austreten konnte und auch tatsächlich ausgetreten ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Kirche seither (1980) keine Abgaben mehr erhoben hat.

 

Normenkette

KiStG § 5 Abs. 1, 2 Nr. 3; FGO § 69 Abs. 2-3

 

Tenor

1. Die Vollziehung der Kirchensteuerfestsetzungen für die Kalenderjahre 1994 bis 1997 jeweils vom 27. Mai 1999 und die Kirchensteuervorauszahlungen 1998 und I/II 1999 wird ab Fälligkeit ausgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Mitgliedschaft des Antragstellers in der evangelischen Kirche.

Der Antragsteller wurde am 24. August 1952 evangelisch getauft. Durch Erklärung vom 23. Juni 1999 vor dem zuständigen Amtsgericht A-Stadt trat er rechtswirksam aus der evangelischen Kirche aus. Ob er bereits 1980 aus der Kirche ausgetreten war, ist zwischen den Beteiligten streitig. Jedenfalls hatte die evangelische Kirche ab diesem Zeitpunkt keine Abgaben mehr erhoben.

Der Antragsteller ist als Arzt im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis mit seiner Ehefrau freiberuflich tätig. Er gab in seinen Steuererklärungen für die Streitjahre (1994 bis 1997) und auch zuvor eine Kirchenzugehörigkeit nicht an. Die mit der Steuererklärung 1997 eingereichte Lohnsteuerkarte (ohne Lohnsteuerbescheinigung) enthielt den Eintrag „EV”. Auf entsprechende Ermittlungen des Antragsgegners teilte die Evangelisch-Lutherische Kirche in B – Landeskirchenamt – mit, ihr liege keine Kirchenaustrittserklärung vor.

Daraufhin setzte der Antragsgegner für die Streitjahre (1994 bis 1997) und in den Vorauszahlungsbescheiden für 1998 und 1999 Kirchensteuer fest. Dagegen richtet sich der Einspruch des Antragstellers, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Der Antragsteller behauptet, er sei bereits 1980 aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Zugleich beantragte er die Aussetzung der Vollziehung, die der Antragsgegner ablehnte.

Der Antragsteller begehrt im vorliegenden Verfahren die Aussetzung der Vollziehung der Kirchensteuerbescheide für die Streitjahre. Er behauptet, bereits 1980 aus der Kirche ausgetreten zu sein. Zu der Austrittserklärung sei es gekommen, als die damalige Beauftragte der Kirchengemeinde beim Antragsteller für das Jahr 1980 die Kirchenabgaben habe erheben wollen. Er – der Antragsteller – habe der Beauftragten der Kirchenverwaltung, Frau XX, erklärt, er wolle aus der Kirche austreten. Frau XX habe ihn daraufhin gebeten, ihr diese Erklärung schriftlich mitzugeben, die Sache wäre dann für den Antragsteller erledigt. In der Folge habe der Antragsteller Frau XX eine handschriftliche Erklärung übergeben, in der er seinen Austritt aus der evangelischen Kirche erklärt habe. Seit diesem Zeitpunkt sei er nie wieder zu Kirchenabgaben für die evangelische Kirche herangezogen worden.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der Kirchensteuerfestsetzungen für die Kalenderjahre 1994 bis 1997 jeweils vom 27. Mai 1999 und die Kirchensteuervorauszahlungen für 1998 und I/II 1999 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er meint, es liege bis zum 23.06.1999 keine wirksame Kirchenaustrittserklärung vor, so dass der Antragsteller im streitigen Zeitraum als Kirchenmitglied steuerpflichtig sei.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht in der Hauptsache die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit bei der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen auslösen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, vgl. BFH-Beschluss vom 14. November 1989 VII B 124/89, BFH/NV 1990, 279).

Ernstliche Zweifel im vorgenannten Sinne bestehen gegen die angefochtenen Kirchensteuerfestsetzungen, die nach summarischer Prüfung den Antragsteller in seinen Rechten verletzen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners spricht vieles dafür, dass der Antragsteller bereits 1980 aus der evangelischen Kirche ausgetreten war.

Nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Kirchensteuerwesens (KirchStG) vom 31. August 1990, Anlage 2 Kapitel 6 Abschnitt I Nr. 5 des Einigungsvertrages vom 31.08.1990 (BGBl II 1990, 889, 1194), geändert durch das Gesetz zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 18.06.1993 (Gesetz- und Verordnungsblatt 1993, 334) sind kirchensteuerpflichtig alle Angehörigen einer Religionsgemeinschaft. Die ...

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