Leitsatz

Eine Teileinspruchsentscheidung kann sich auch nur auf unstreitige Teile eines Bescheids beziehen.

 

Normenkette

§ 367 Abs. 2a AO

 

Sachverhalt

Die Kläger wehren sich gegen eine Teileinspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 2a AO, die das FA erlassen hatte. Sie hatten u.a. Sonderausgaben für Vorsorgeaufwendungen geltend gemacht, die vom FA nur teilweise anerkannt wurden. Der Steuerbescheid war wegen verschiedener Punkte vorläufig. Die Kläger legten mittels eines Formulartexts Einspruch hinsichtlich der Abziehbarkeit von Rentenbeiträgen ein. Soweit einzelne Fragen bereits durch Vorläufigkeitsvermerke erfasst seien, richte sich der Einspruch gegen die nicht von den Vorläufigkeitsvermerken erfassten Rechtsfragen.

Das FA erließ daraufhin eine Teileinspruchsentscheidung mit folgendem Inhalt

"Der Einspruch wird, soweit hierdurch über ihn entschieden wird, als unbegründet zurückgewiesen. Über folgende Teile des Einspruchs wird nicht entschieden: … Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG; beim BFH anhängiges Verfahren X R 9/07 … Insoweit tritt durch diese Entscheidung keine Bestandskraft ein."

und führte aus, im Übrigen hätten die Einspruchsführer keine Einwendungen erhoben, sodass die nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO gebotene volle Überprüfung zu keiner Änderung führe.

Das FG hat die Klage abgewiesen (FG Hamburg, Urteil vom 17.8.2009, 5 K 208/08, Haufe-Index 2271204, EFG 2010, 374). Mit der Revision machen die Kläger u.a. geltend, die Teileinspruchsentscheidung sei nicht sachdienlich gewesen. Sie sei nur sinnvoll, wenn ihr ein tatsächlicher Streitpunkt zugrunde liege. Das automatisierte und ungeprüfte Erlassen von Teileinspruchsentscheidungen führe dazu, dass sowohl die Pflicht der über den Einspruch entscheidenden Behörde, die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen, als auch der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz faktisch beseitigt werde.

 

Entscheidung

Der BFH gab dem FA recht und bestätigte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen das FG-Urteil.

 

Hinweis

1. Legt ein Steuerpflichtiger gegen einen Steuerbescheid Einspruch ein, hat er auf der einen Seite ein Interesse daran, dass möglichst schnell über seinen Rechtsbehelf entschieden wird. Auf der anderen Seite kann er aber, solange sein Steuerfall "offen" ist, von künftigen Entwicklungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu noch nicht strittigen Fragen "profitieren". Ein Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen, dass vorläufig keine Einspruchsentscheidung ergeht, besteht aber nicht. Das ist die kurze Quintessenz dieses BFH-Urteils.

2. Nach § 367 Abs. 2a Satz 1 AO kann die Finanzbehörde vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn eine Teileinspruchsentscheidung das Einspruchsverfahren hinsichtlich aller nicht ausdrücklich angegriffenen Bestandteile des Bescheids beendet. Soweit ein Einspruch entscheidungsreif ist, soll nach Auffassung des BFH über ihn auch entschieden werden. Andernfalls träte insoweit eine Verfahrensverzögerung ein, die ihrerseits eines sachlichen Grundes bedürfte.

3. Das gilt unabhängig davon, ob das Einspruchsverfahren hinsichtlich benannter Streitpunkte ganz oder teilweise beendet wird. Ein Einspruch kann damit auch insoweit entschieden werden, als er sich nur auf nicht ausdrücklich benannte Streitpunkte bezieht.

4. Obwohl dem Steuerpflichtigen die Teilhabe an künftigen Entwicklungen abgeschnitten wird, besteht vor Erlass der Teileinspruchsentscheidung keine vorherige Anhörungspflicht. Es besteht ebenso wenig eine Pflicht des FA, vor Erlass einer Teileinspruchsentscheidung eine Frist nach § 364b Abs. 1 Nr. 1 AO zu setzen. Der Steuerpflichtige muss also jederzeit damit rechnen, dass die Finanzverwaltung eine Teileinspruchsentscheidung erlässt.

5. Nach § 367 Abs. 2a Satz 2 AO hat das FA zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll. Damit tritt hinsichtlich der nicht benannten Teile Bestandskraft ein. Bedenken in Bezug auf die Bestimmtheit der Einspruchsentscheidung hat der BFH für den Regelfall nicht. Bei undurchsichtiger Sach- und/oder Rechtslage sei dem Erfordernis der Klarheit in Bezug auf die Reichweite der Bestandskraft bei Erlass einer Teileinspruchsentscheidung entsprechend Rechnung zu tragen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.3.2012, X R 50/09

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