Leitsatz

Eine Privatperson erwirbt in einem anderen Mitgliedstaat auch solche Zigaretten für den eigenen Bedarf, die sie selbst in das Steuergebiet verbringt, um sie an Familienangehörige zu verschenken.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Buchst. a, § 19 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 TabStG, § 215 AO, Art. 8 RL 92/12/EWG

 

Sachverhalt

Die Klägerin war zusammen mit ihren Großeltern und ihrem Vater nach Polen gereist. Jedes Familienmitglied hatte dort eine Stange Zigaretten gekauft. Nach der Rückkehr nach Deutschland schenkten die Großeltern und der Vater die von ihnen erworbenen Zigaretten der Klägerin, die allein ihre Fahrt nach Hause fortsetzte. Anlässlich einer Fahrzeugkontrolle fanden Beamte des HZA die Zigaretten und stellten sie, soweit die damals gegenüber Polen noch geltenden Freimengen überschritten waren, nach § 215 AO sicher. Den Einspruch dagegen wies das HZA mit der Begründung zurück, die sichergestellten Zigaretten seien nach § 19 i.V.m. § 20 Abs. 4 Satz 2 TabStG zu gewerblichen Zwecken nach Deutschland verbracht worden (Thüringer FG, Urteil vom 26.4.2010, 2 K 462/08, Haufe-Index 2563627).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Sicherstellung aufgehoben. Die Zigaretten seien für den Eigenbedarf in zulässiger Weise steuerfrei nach Deutschland verbracht worden. Eigenbedarf setze die Absicht, selbst zu rauchen, nicht voraus.

 

Hinweis

Tabakwaren, die unzulässigerweise entgegen § 12 Abs. 1 TabStG aus dem freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbracht werden (§ 19 Satz 1 i.V.m. Satz 4 TabStG 1992), sind nach § 215 AO sicherzustellen. Im Streitfall waren die Zigaretten zwar entgegen § 12 Abs. 1 TabStG nicht mit deutschen Steuerzeichen versehen, jedoch war zweifelhaft, ob sie "unzulässigerweise zu gewerblichen Zwecken" in das Steuergebiet verbracht wurden. Denn Tabakwaren sind steuerfrei, wenn sie Privatpersonen in einem anderen Mitgliedstaat im freien Verkehr für ihren "Eigenbedarf" erwerben und selbst (!) in das Steuergebiet verbringen (§ 20 Abs. 1 TabStG).

Die entscheidende Frage lautet: Was ist Eigenbedarf? Setzt er voraus, dass der Verbringer die Zigaretten selbst rauchen will? Oder darf er sie auch anderen anbieten, damit sie sie mit ihm zusammen konsumieren, z.B. seinen häuslichen Gästen? Darf er sie auch mitbringen, um sie Verwandten, Freunden oder Kollegen zu schenken (als Mitbringsel)? Oder darf er sie sogar in deren Auftrag und gegen Kostenerstattung mitbringen?

Der BFH dekliniert alle diese und weitere Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen ließen, in der Besprechungsentscheidung nicht durch. Entscheidend ist für ihn aber die enge persönliche Beziehung zu demjenigen, der die Zigaretten letztlich erhält. Verwandten (gemeint: engen Verwandten) darf man Zigaretten steuerfrei zum Geschenk machen. Ob eine Auslagenerstattung dem Eigenbedarf abträglich wäre, sagt die Entscheidung nicht ganz klar. Sie scheint aber einem Einkauf im Auftrag des Empfängers und auf dessen Kosten skeptisch gegenüberzu­stehen.

All das wird im Wesentlichen aus dem Richtlinienrecht, das dem deutschen Gesetz zweifellos zugrunde liegt, und der Rechtsprechung des EuGH abzuleiten gesucht, obwohl diese Quellen insofern nicht besonders aussagekräftig erscheinen. Aber auch der Begriffsinhalt des Wortes Eigenbedarf und Sinn und Zweck der eingangs genannten Vorschriften dürften das Entscheidungsergebnis tragen, dass jedenfalls nicht nur der eigene Konsum gemeint ist. Ohnehin dürfte die Finanzverwaltung gut beraten sein, bei eigenbedarfstypischen Mengen stillzuhalten, weil sich die eben angesprochenen Hintergründe des Verbringens für sie in der Regel nicht zuverlässig aufklären lassen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 8.9.2011 – VII R 59/10

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