Leitsatz

Umsätze einer GmbH aus der Durchführung von Kursen mit dem Gegenstand "Sofortmaßnahmen am Unfallort" können nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL umsatzsteuerfrei sein.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 21 Buchst. a, bb UStG, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL, § 19 FeV

 

Sachverhalt

Die Klägerin gab u.a. Kurse zu "Sofortmaßnahmen am Unfallort", die fast ausschließlich von Fahrschülern besucht worden sind. Die zustän­dige Behörde erteilte eine Bescheinigung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a, bb UStG.

Die Klägerin beurteilte diese Kurse als umsatzsteuerfrei; nicht so das FA. Auch das FG war der Auffassung, dass die Klägerin weder als private Schule noch als allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a, bb UStG zu beurteilen sei (EFG 2007, 73).

 

Entscheidung

Nach den Feststellungen des FG hatten verschiedene Kultusministerien Schulunterricht mit vergleichbarem Inhalt für erforderlich gehalten. Damit sah der BFH die vorstehend erläuterten Kriterien erfüllt. Das Ergebnis entspricht -- wenn auch aufgrund der neuen EuGH-Entscheidungen mit anderer Begründung -- der bisherigen Rechtsprechung zu § 4 Nr. 21 UStG.

Der BFH hatte entschieden, dass eine Fahrschule oder eine Jagdschule keine "allgemeinbildende Einrichtungen" i.S.v. § 4 Nr. 21 UStG sind. Kurse, die die Teilnehmer zur Erstversorgung Unfallverletzter und zur Durchführung anderer lebensrettender Sofortmaßnahmen befähigen sollen, haben -- anders als etwa Schulungen durch eine "Jagdschule" zur Vorbereitung auf die Jägerprüfung oder eine "Fahrschule" zur Vorbereitung auf die Fahrprüfung -- auch nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung im Sinn der dargelegten Definition des "Schul- oder Hochschulunterrichts". Die Klägerin erfüllte mit der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 UStG auch die persönlichen Voraussetzungen.

 

Hinweis

1. Gemeinschaftsrechtliche Vorgabe zu § 4 Nr. 21 Buchst. a, bb UStG ist Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL. Der befreit u.a den "Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung ... durch ... Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter -- den entsprechenden öffentlich-rechtlichen Einrichtungen -- vergleichbarer Zielsetzung".

Zu Schul- und Hochschulunterricht erläutern die EuGH-Urteile "Werner Haderer" (vom 14.06.2007, Rs. C-445/05, BFH-PR 2007, 394) und "Horizon College" vom 14.06.2007, Rs. C-434/05, BFH-PR 2007, 392): Die Regelung bezieht sich auf verschiedene Unterrichtsformen, ohne diese zu definieren. Der Begriff "Schul- oder Hochschulunterricht" beschränkt sich nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Damit sind die für die Tätigkeit maßgebenden Kriterien umschrieben.

Zu den Begriffen "Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung" erläutert die EG-VO 1777-2005 vom 17.10.2005 verbindlich, diese umfassen Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist hierfür unerheblich.

2. Erforderlich ist gemeinschaftsrechtlich weiter die Anerkennung durch den Mitgliedstaat. Da die nationale Regelung nur teilweise deckungsgleich mit dem Gemeinschaftsrecht ist, genügt es -- wenn die Tätigkeit sich als Schul- oder Hochschulunterricht im Sinn der dargelegten Definition des EuGH erweist --, dass dem Unternehmer eine Bescheinigung der zuständigen Behörde gem. § 4 Nrn. 21 a), bb) UStG erteilt worden ist. Das nicht zuletzt deshalb, weil diese Vorschrift zwar "allgemeinbildende Einrichtungen" voraussetzt, andererseits aber nur eine Bescheinigung vorsieht, wonach die Einrichtung auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet.

Nachdem die oben zitierten Entscheidungen des EuGH eine vergleichende Betrachtung der "allgemeinbildende Einrichtung" mit den Schulen des nationalen Bildungssystems als Einrichtungen mit einem komplexen Unterrichtsangebot verbieten und nur den Vergleich erlauben, ob vergleichbarer Unterricht auch an Schulen oder Hochschulen erteilt wird, ist angesichts der so unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale eine richtlinienkonforme "Auslegung" des § 4 Nrn. 21 a), bb) UStG kaum noch möglich.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.01.2008, V R 52/06

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