Leitsatz

1. Leistungen, die aus öffentlichen Mitteln der Jugendhilfe für die Aufnahme von Pflegepersonen in einen Haushalt über Tag und Nacht als Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII gewährt werden, sind auch dann eine steuerfreie Beihilfe zur Erziehung i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG, wenn die Betreuung über privatrechtliche Institutionen durch Verträge mit den Erziehungsstellen abgewickelt wird und im Rahmen dieser Vertragsbeziehungen die öffentlichen Mittel von den Institutionen an die Erzieher – wie im Streitfall für die Aufnahme von ein bis zwei Pflegekindern – ausgezahlt werden.

2. Die Auffassung, bei einer Betreuung von bis zu sechs Kindern sei die Pflege regelmäßig nicht als erwerbsmäßig anzusehen und diene deshalb unmittelbar der Förderung der Erziehung i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG (BMF, Schreiben vom 20.11.2007, IV C 3 – S 2342/07/0001, BStBl I 2007, 824 zur Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII), ist nicht zu beanstanden.

3. Privathaushalte der Erzieher sind keine Einrichtungen i.S.d. § 34 SGB VIII, für die keine steuerfreien Beihilfen i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG in Betracht kommen.

4. Sonstige betreute Wohnformen i.S.d. § 34 SGB VIII sind nur gegeben, wenn sie als Einrichtung einen institutionalisierten Rahmen für die Betreuung bieten; dazu gehören nicht lediglich angemietete Wohnungen oder die bloße Überlassung von Wohnraum wie z.B. eines Zimmers im Haushalt der betreuenden Person.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 11, § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 33, § 34 SGB VIII

 

Sachverhalt

Die Klägerin schloss mit einer Firma einen Vertrag zur Vollzeitbetreuung eines Kindes in ihrem Familienhaushalt ab. In diesem Zusammenhang wurde eine Honorar- und Sachkostenvereinbarung geschlossen, wonach die Klägerin ein Tageshonorar von 83,82 EUR zuzüglich von Sachkostenpauschalen i.H.v. 27,06 EUR (ohne Supervision) bzw. 32,09 EUR (mit Supervision) erhalten sollte. In späteren Jahren schloss die Klägerin vergleichbare Verträge für zwei weitere Kinder ab.

Das FA behandelte die Zahlungen für die Betreuung der Kinder unter Abzug der darauf bezogenen Ausgaben der Klägerin als steuerpflichtigen Gewinn.

Das FG (FG Köln, Urteil vom 30.6.2011, 10 K 1229/09, Haufe-Index 2729988, EFG 2012, 103) wies die Klage ab.

Die Klägerin habe im Streitzeitraum keine Erziehungsleistungen i.S.d. § 33 SGB VIII, sondern solche i.S.d. § 34 SGB VIII erbracht. Ihr Vortrag, als ausgebildete Erzieherin für das Angebot von Leistungen i.S.d. § 34 SGB VIII schon fachlich nicht geeignet zu sein, sei unerheblich, weil die tatsächliche Durchführung der Betreuungsverhältnisse auf der Grundlage des § 34 SGB VIII sozialrechtliche Tatbestandswirkung habe.

 

Entscheidung

Auf die Revision der Klägerin hob der BFH die Vorentscheidung auf und beurteilte die strittigen Erziehungshonorare als steuerfreie Beihilfen i.S.v. § 3 Nr. 11 EStG. Zur Begründung kann auf die Praxis-Hinweise verwiesen werden.

 

Hinweis

Der Fall betrifft einen Problemkreis, in dem sich Steuerrecht und Sozialrecht berühren. Beide Rechtsgebiete passen aber nicht bruchlos zusammen, was zu entsprechenden Schwierigkeiten führen kann. Im Einzelnen:

Nach § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind u.a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu fördern.

a) Die Mittel stammen auch dann aus einem öffentlichen Haushalt, wenn sie in einem Haushaltsplan ausgewiesen sind und mittelbar über Dritte gezahlt werden, sofern über die Mittel nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften verfügt werden kann und ihre Verwendung im Einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt.

Unschädlich ist auch, wenn zur Begründung von Pflegeverhältnissen zivilrechtliche Pflegeverträge – z.B. zwischen Jugendamt und Pflegeeltern – geschlossen werden oder wenn im Verhältnis zwischen Jugendamt und Pflegeeltern ein Verein oder eine Firma zwischengeschaltet wird.

b) Eine unmittelbare Förderung der Erziehung i.S.d. Vorschrift ist insbesondere für Zahlungen zu bejahen, mit denen die Zahlungsempfänger der Notwendigkeit des Gelderwerbs zum Lebensunterhalt enthoben und dadurch zeitlich in die Lage versetzt werden, sich der Erziehung zu widmen.

aa) An Pflegeeltern geleistete Erziehungsgelder sind regelmäßig dazu bestimmt, zugunsten der in den Haushalt der Pflegeeltern dauerhaft aufgenommenen und wie leibliche Kinder betreuten Kinder und Jugendlichen "die Erziehung zu fördern".

bb) Keine steuerfreien Beihilfen i.S.d. § 3 Nr. 11 EStG sind jedoch Zahlungen an Personen, die Kinder nur des Erwerbs wegen in ihren Haushalt aufgenommen haben, sowie Leistungen, die nicht uneigennützig, sondern im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden, z. B. Leistungen an Kinderheime und Tagesgroßpflegestellen.

cc) Nach Auffassung des BMF kann bei einer Betreuung von bis zu fünf (ab 2008 bis zu sechs) Kindern ohne nähere Prüfung unterstellt werden, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird. Der BFH hat dies als Anscheinsbeweis gebilligt.

dd) Die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII, d.h. die regelmäßig in den Familienhaushalte...

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