Leitsatz

Die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 EStG kann auch für Pflege und Betreuungsleistungen in einem Seniorenwohnheim in Anspruch genommen werden, soweit dort ein eigener Haushalt des Bewohners vorliegt. Dabei setzt das Vorliegen eines eigenen Haushalts voraus, dass die Räumlichkeiten von ihrer Ausstattung her für eine eigenständige abgeschlossene Haushalts-und Wirtschaftsführung des Bewohners geeignet sind.

 

Sachverhalt

Im Streitfall ging es um die Frage, ob und in welcher Höhe Aufwendungen für die Unterbringung der Mutter des Steuerpflichtigen in einem Pflegeheim nach § 35a EStG steuerlich berücksichtigt werden können. Die Mutter lebte in einem Einbettzimmer einer Seniorenresidenz. Das Finanzamt versagte die Gewährung der Steuerermäßigung u. a. mit der Begründung, eine selbstständige Haushalts- und Wirtschaftsführung sei in dem Einbettzimmer aufgrund der fehlenden eigenen Küche bzw. zumindest einer Kochgelegenheit nicht möglich.

 

Entscheidung

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies auch das Finanzgericht die eingelegte Klage ab. Zwar kann nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG die Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG auch in Anspruch genommen werden für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen wegen Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen, soweit darin Kosten für Dienstleistungen enthalten sind, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind. In beiden Alternativen des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG ist nach Auffassung des Finanzgerichts jedoch das Vorliegen eines Haushalts erforderlich.

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 35a Abs. 4 EStG, wonach die Dienstleistungen in einem in der Europäischen Union oder in dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen oder - bei Pflege-und Betreuungsleistungen - der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht wird. Unter Haushalt ist die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen. Das Wirtschaften im Haushalt umfasst Tätigkeiten, die für die Haushaltung oder die Haushaltsmitglieder erbracht werden. Dazu gehören Einkaufen von Verbrauchsgütern, Zubereitung von Mahlzeiten, Wäschepflege, Reinigung und Pflege der Räume, des Gartens und auch Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern und kranken Haushaltsangehörigen. Ein solcher Haushalt kann grundsätzlich auch von dem Bewohner eines Wohnstifts geführt werden. Die Räumlichkeiten müssen jedoch - auch in einem Wohnheim - von ihrer Ausstattung für eine Haushaltsführung geeignet sein. Dies erfordert, das der Haushalt Bad, Küche, Wohn- und Schlafbereich umfasst und individuell genutzt werden kann, d. h. abschließbar ist. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall jeoch nicht vor, so dass die Gewährung der Steuerermäßigung bereits an diesem Umstand scheiterte. Im Übrigen waren im Streitfall die Aufwendungen auch nicht der pflegebedürftigen Person als Steuerpflichtige, sondern ihrem Sohn entstanden, so dass eine Berücksichtigung der Steuerermäßigung auch insoweit nicht in Betracht kam.

 

Hinweis

Die Entscheidung des Finanzgerichts korrespondiert nicht mit der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung, wonach das Vorliegen eines Haushalts nicht erforderlich sein soll (BMF-Schreiben v. 9.11.2016, BStBl 2016 I S. 1213, Tz. 14). Da gegen die Entscheidung Revision eingelegt wurde (Az beim BFH VI R 19/17), wird der Bundesfinanzhof Gelegenheit zur höchstrichterlichen Klärung haben. Betroffene Steuerpflichtige sollten daher zur Rechtswahrung Einspruch einlegen und unter Hinweis auf das anhängige Revisionsverfahren Ruhen des Verfahrens beantragen (§ 363 Abs. 2 AO).

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 28.02.2017, 9 K 400/16

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