Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.[1] Wenn die Gesellschafter einer GmbH im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit die Stellung eines Insolvenzantrags durch den Geschäftsführer nicht genehmigen, kann der Geschäftsführer zur Abwehr seiner Risiken insbesondere aus § 64 GmbHG umfassende Haftungsfreistellung verlangen. In diesem Zusammenhang kann der Status "drohende Zahlungsunfähigkeit" auch durch Indizien festgestellt werden.[2] Ist eine unstreitige Forderung für eine begrenzte Zeit gestundet oder nicht ernsthaft eingefordert, kann sie bei der Prognose, ob drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt, gleichwohl zu berücksichtigen sein.[3] In die Prognose, die bei der Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit vorzunehmen ist, sind auch Zahlungspflichten einzubeziehen, deren Fälligkeit im Prognosezeitraum nicht sicher, aber überwiegend wahrscheinlich ist.[4] Bei der Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit sind solche Zahlungspflichten relevant, deren Fälligkeit im Prognosezeitraum entweder sicher oder zumindest überwiegend wahrscheinlich ist.[5]

Die Fälligkeit einer Forderung ergibt sich aus Verträgen (z. B. Mietvertrag: Miete am 5. Werktag des Monats zu zahlen) oder auch aus der Zahlungsbestimmung des Gläubigers, wenn dieser seinerseits die vereinbarte Leistung erbracht hat (z. B auf der Rechnung: zahlbar bis ...).

In der Praxis wird die drohende Zahlungsunfähigkeit zulasten vieler Gläubiger vom Schuldner meist mit der Zahlungsstockung verwechselt.

Der Bundesgerichtshof hat konkret die Zahlungsstockung wie folgt definiert:

"Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend."[6]

Argument des BGH: Die Vorschrift des § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG a. F. (seit 1.11.2008: § 15a Abs. 1 InsO) zeigt, dass das Gesetz eine Ungewissheit über die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft längstens 3 Wochen hinzunehmen bereit ist.

Auch der Begriff "drohende Zahlungsunfähigkeit" kann aus dem zweiten Leitsatz der Entscheidung des BGH genauer abgeleitet werden:

"Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird."[7]

Argument des BGH: Liegt eine Unterdeckung von weniger als 10 % vor, genügt sie allein nicht zum Beleg der Zahlungsunfähigkeit. Wenn diese gleichwohl angenommen werden soll, müssen besondere Umstände vorliegen, die diesen Standpunkt stützen. Ein solcher Umstand kann auch die auf Tatsachen gegründete Erwartung sein, dass sich der Niedergang des Schuldner-Unternehmens fortsetzen wird. Geht es um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, muss das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht[8] derartige Umstände feststellen. Geht es um die Geschäftsführerhaftung nach § 64 GmbHG, muss die Gesellschaft, die den Geschäftsführer in Anspruch nimmt, oder deren Insolvenzverwalter die besonderen Umstände vortragen und beweisen.

Dritten gegenüber haftet der Geschäftsführer gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO.

Wird ein befristetes Darlehen durch Zeitablauf fällig, ist die Verpflichtung des Schuldners zur Tilgung bei der Prüfung seiner Zahlungsfähigkeit regelmäßig zu berücksichtigen, auch wenn der Darlehensgeber zur Rückzahlung nicht konkret aufgefordert hat. Dem Schuldner kann die Zahlungsunfähigkeit trotz gewährter Prolongation des Darlehens drohen, wenn die in dieser Zeit geführten Umschuldungsverhandlungen keine sichere Erfolgsaussicht bieten.[9]

Der Geschäftsführer darf aber auch nicht ohne Weiteres bei drohender Zahlungsunfähigkeit den Insolvenzantrag stellen, sondern muss zumindest die Gesellschafterversammlung befragen.[10]

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