Sachverhalt

Bei dem polnischen Verfahren ging es um die Auslegung der Art. 132 Abs. 1, Art. 133 und Art. 134 sowie Art. 168 MwStSystRL. Streitig war die Steuerbefreiung von Bildungsleistungen, sowie der Vorsteuerabzug aus hierfür bezogenen Eingangsleistungen.

Die Klägerin ist eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete gewerbliche Anbieterin von Fachschulungen und Fachkonferenzen auf den Gebieten Steuern, Finanzen, Management usw. Sie ist nicht im Verzeichnis der nichtöffentlichen Schulen und Einrichtungen nach dem polnischen Gesetz über das Bildungssystem eingetragen.

Die Klägerin machte aus ihren Eingangsleistungen den Vorsteuerabzug geltend und trug vor, dass die von ihr erbrachten Bildungsdienstleistungen gemäß den Vorgaben der MwStSystRL nicht der MwSt-Befreiung unterlägen. Sie sei eine Einrichtung, die nicht in allgemeinem Interesse handele und keine den Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergleichbare Zielsetzung verfolge.

Das polnische MwStG in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung sieht dagegen eine MwSt-Befreiung für alle Dienstleistungen mit Bildungscharakter vor, ohne Rücksicht auf ihr Ziel und ihre Art sowie den Leistungserbringer. Dementsprechend wurden die Leistungen der Klägerin als steuerfrei behandelt und der Vorsteuerabzug versagt.

Das vorlegende Gericht fragte den EuGH, ob nach den Art. 132 Abs. 1, Art. 133 und Art. 134 MwStSystRL eine Einbeziehung der von nichtöffentlichen Einrichtungen zu gewerblichen Zwecken erbrachten Bildungsdienstleistungen in die Mehrwertsteuerbefreiung zulässig ist (erste Vorlagefrage) und ob im Fall der Unvereinbarkeit einer solchen Befreiung der Steuerpflichtige sowohl die nationale (unionsrechtswidrige) Steuerbefreiung als auch zugleich das (unionsrechtlich zulässige) Recht auf Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen darf (zweite Vorlagefrage).

 

Entscheidung

Der EuGH hat mit Bezug auf frühere Rechtsprechung entschieden, dass der gewerbliche Charakter einer Tätigkeit im Rahmen von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL nicht ausschließt, dass es sich dabei um eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit handelt. Der Begriff der Einrichtung in der Vorschrift ist grundsätzlich weit genug, um auch private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht zu erfassen. Auch mit Blick auf die Möglichkeit, die Art. 133 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL den Mitgliedstaaten bietet, kann in den Fällen, in denen der Unionsgesetzgeber, wie in Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL, die Inanspruchnahme der betreffenden Befreiung nicht ausdrücklich vom Fehlen eines Gewinnstrebens abhängig gemacht hat, das Streben nach Gewinnerzielung die Inanspruchnahme einer solchen Befreiung nicht ausschließen.

Art. 134 MwStSystRL schließt nicht aus, dass die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sich auf private Einrichtungen erstreckt, die Bildungsdienstleistungen zu gewerblichen Zwecken erbringen. Art. 134 MwStSystRL ist nach dem vorliegenden Urteil nur auf Umsätze anwendbar, die mit den befreiten Bildungsdienstleistungen im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Mehrwertsteuerrichtlinie eng verbunden sind, also nicht auf die im Kernbereich befreiten Bildungsumsätze.

Als Zwischenergebnis aus dem Urteil ist festzuhalten, die Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, 133 und 134 MwStSystRL stehen einer Steuerbefreiung für Bildungsdienstleistungen, die von nicht öffentlichen Einrichtungen zu gewerblichen Zwecken (z.B. gewerbliche Seminaranbieter) erbracht werden, nicht entgegen.

Allerdings sind nach weiteren Urteilsgründen Bildungsleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL nur dann befreit, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Bildungsaufgaben betraut sind, oder von anderen Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung erbracht werden. Die privaten Einrichtungen müssen somit die Voraussetzung erfüllen, dass sie eine vergleichbare Zielsetzung wie die genannten Einrichtungen des öffentlichen Rechts haben. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i ist nach dem Urteil insoweit eindeutig, dass die Vorschrift es nicht zulässt, Bildungsdienstleistungen sämtlicher privater Einrichtungen zu befreien, auch von Einrichtungen, deren Zielsetzung nicht mit der von Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergleichbar ist.

Es ist nach dem Urteil aber grundsätzlich Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die Regeln aufzustellen, nach denen die Zielsetzung privater Einrichtungen mit der von öffentlichen Einrichtungen vergleichbar ist. Hierbei ist insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.

Zur zweiten Frage hat der EuGH entschieden, dass das Unionsrecht es nicht zulässt, gleichzeitig eine Steuerbefreiung für einen Ausgangsumsatz und für damit zusammenhängende Eingangsumsätze den Vorsteuerabzug geltend zu machen. Im vorliegenden Fall kann der Kläger sich jedoch ggf. auf die Unvereinbarkeit der polnischen Steuerbefreiung mit dem Unionsrecht berufen und den Vorsteuerabzug geltend machen. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob die polnische Steuerbefreiung unionsrechtlich gerechtfertigt is...

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