Leitsatz

1. § 6a GrEStG gilt für alle Rechtsträger i.S. des GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind.

2. Die Vorschrift erfasst auch den Fall, dass eine abhängige Gesellschaft durch Ausgliederung aus einem herrschenden Unternehmen neu entsteht.

3. Die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten Fristen müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können.

4. Bei der Ausgliederung zur Neugründung muss das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren nach der Ausgliederung zu mindestens 95 % an der neu gegründeten Gesellschaft beteiligt bleiben (Nachbehaltensfrist). Die Vorbehaltensfrist muss in Bezug auf die neu gegründete Gesellschaft nicht eingehalten werden, weil sie aufgrund der Ausgliederung nicht eingehalten werden kann.

 

Normenkette

§ 6a, § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, ist aufgrund Ausgliede­rungsvertrag vom 27.6.2012 durch Ausgliederung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG aus der S-GmbH hervorgegangen und wurde am 31.8.2012 in das Handelsregister eingetragen. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin wurde die S-GmbH. Zu dem auf die Klägerin ausgegliederten Vermögen gehörten mehrere Grundstücke. Die S-GmbH blieb nach übereinstimmendem Vortrag aller Beteiligten nach dem Umwandlungsvorgang mehr als fünf Jahre zu 100 % an der Klägerin beteiligt.

Das FA setzte gegen die Klägerin für den Grundstückserwerb Grunderwerbsteuer fest. Der Einspruch, mit dem die Klägerin die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG begehrte, hatte keinen Erfolg. Das FG sah die Voraussetzungen des § 6a GrEStG als erfüllt an und gab der auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids gerichteten Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 7.5.2014, 7 K 281/14 GE, Haufe-Index 7206083, EFG 2014, 1424).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Beim Besprechungsurteil II R 16/19 (BFH/NV 2020, 445) und den ebenfalls in diesem Heft besprochenen weiteren Urteilen vom 21.8.2019 (II R 15/19, II R 19/19, II R 20/19, II R 21/19) und 22.8.2019 (II R 17/19, II R 18/19) handelt es sich um die ersten Sachentscheidungen des BFH zu § 6a GrEStG.

Der BFH legt die Vorschrift viel weiter als die Finanzverwaltung aus. Die Steuerpflichtigen haben in allen Fällen außer im Verfahren II R 17/19 (II R 58/14) obsiegt.

2. Der durch eine Ausgliederung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG bewirkte Übergang des Eigentums an Grundstücken auf den neuen Rechtsträger unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Es handelt sich um gesetzliche Eigentumswechsel, bei denen kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen war und es auch keiner Auflassung bedurfte.

3. § 6a GrEStG sieht unter bestimmten Voraussetzungen für den gesetzlichen Eigentumsübergang bei der Ausgliederung zur Neugründung und anderen Umwandlungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwG die Nichterhebung der Grunderwerbsteuer vor. Die Nichterhebung der Steuer setzt voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Im Sinne von Satz 3 abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 GrEStG).

4. Der BFH ist bereits in dem an den EuGH gerichteten Vorabentscheidungsersuchen (BFH, Beschluss vom 30.5.2017, II R 62/14, BFH/NV 2017, 1133, BStBl II 2017, 916; vgl. unten 7.) von einem weiten Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ausgegangen. So sei die Anwendung der Vorschrift auf die Verschmelzung einer GmbH auf ihre Alleingesellschafterin – eine AG – entgegen dem Wortlaut von Satz 4 der Vorschrift nicht deshalb ausgeschlossen, weil die GmbH aufgrund der Verschmelzung erlösche.

5. Dieser Linie ist der BFH in den nunmehr ergangenen Urteilen gefolgt.

a) Eine Gesellschaft, die durch die Umwandlung entsteht oder erlischt, kann zwar die in § 6a Satz 4 GrEStG bestimmten zeitlichen Voraussetzungen der Abhängigkeit (Vorbehaltens- und Nachbehaltensfrist) aus rechtlichen Gründen nicht vollständig erfüllen. Dies schließt aber nach Sinn und Zweck des § 6a GrEStG die Nichterhebung der Steuer nach dieser Vorschrift nicht aus. Es ist daher unschädlich, dass der übertragende Rechtsträger bei einer Ausgliederung zur Neugründung an dem neu gegründeten Rechtsträger vor der Umwandlung noch nicht beteiligt war; denn eine solche Beteiligung war aus Rechtsgründen nicht möglich.

b) Weit auszulegen ist auch der in § 6a GrEStG verwendete Begriff des herrschenden Unternehmens. Der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ist nicht auf Unternehm...

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