Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden ging es um die Frage, welche Lieferung in einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft die warenbewegte Lieferung ist.

Die Klägerin (E) mit Sitz in NL verkauft Reifen an ein belgisches Unternehmen M, das mit belgischer UID auftritt. Vereinbart ist der Transport der Waren vom Lager der E nach Belgien auf Rechnung und Gefahr von M. Bevor die Waren transportiert werden, verkauft M sie an ein belgisches Unternehmen BD weiter. Die Abholung bei E und der Transport zu BD erfolgt durch einen Beauftragten von M und für Rechnung und auf Gefahr von M (BD stellt entgeltlich einen Lkw samt Fahrer für den Transport).

Das Vorlagegericht meinte, die Warenbewegung könnte der Lieferbeziehung E-M zuzurechnen sein, weil E mit M vereinbart habe, dass M die Ware befördert. Die Rechnungstellung E an M erfolge aufgrund der Mitteilung durch M, dass die Ware nach Belgien befördert wurde. Das Vorlagegericht meinte jedoch weiterhin, die Warenbewegung könne auch der Lieferbeziehung M-BD zugerechnet werden, weil M sich die Ware in NL liefern ließ, um ihren Verkaufsvertrag mit BD erfüllen zu können.

 

Entscheidung

Der EuGH hatte bisher lediglich entschieden (EuGH vom 6.4.2006, C-245/04 (EMAG Handel Eder OHG), dass Artikel 8 Abs. 1 Buchst. a und b iVm Artikel 28c Teil A Buchst. a der 6. EG-Richtlinie so auszulegen sind, dass bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft mit 3 Beteiligten, bei dem der Liefergegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer zum letzten Abnehmer gelangt und die Ware dabei von einem Mitgliedstaat in einen anderen gelangt, die Beförderung oder Versendung der Ware nur einer dieser Lieferungen zugeordnet werden kann. Nur diese Lieferung kann dann Gegenstand der Steuerbefreiung nach Artikel 28c Teil A Buchst. a der 6. EG-Richtlinie sein. Dies gilt unabhängig davon, welcher der Beteiligten die Verfügungsmacht über die Ware im Zeitpunkt der Beförderung oder Versendung besitzt. Weiter hatte der EuGH entschieden, dass nur der Ort der innergemeinschaftlichen Lieferung, also der Lieferung, der die Beförderung oder Versendung in den anderen Mitgliedstaat zuzuordnen ist, sich nach Artikel 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie bestimmt. Der Ort der anderen (ruhenden) Lieferung bestimmt sich nach Artikel 8 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie.

Nicht entschieden hatte der EuGH (danach war er auch nicht gefragt worden), welcher der Lieferungen in dem Reihengeschäft der Warentransport unter den gegebenen Umständen zuzuordnen war. Dies werde in der Praxis von den Vertragsverhältnissen und den Einzelfallumständen abhängen, in wessen Interesse der zweite Lieferer handelt, ob eher für den ersten Lieferer oder für den letzten Abnehmer. Es komme - so der EuGH - jedoch nicht darauf an, wer die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand während des Transports besitzt.

Mit seinem jetzigen Urteil hat der EuGH bekräftigt, dass die Frage, welcher Lieferung die Warenbewegung zuzuordnen ist, von der 6. EG-Richtlinie nicht explizit beantwortet wird, sondern von den Umständen des Einzelfalls abhängt und danach zu fragen ist, welche der beiden Lieferungen in einem Reihengeschäft mit 3 Beteiligten alle Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung erfüllt.

Der EuGH führt noch einmal die Voraussetzungen auf, unter denen eine (steuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt:

  • das Recht, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, muss auf den Erwerber übertragen worden sein,
  • der liefernde Unternehmer muss nachweisen, dass der Liefergegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist,
  • der Liefergegenstand muss infolge dieser Versendung oder Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen haben.

Weiter stellt der EuGH klar, dass der erste Abnehmer der Lieferung vom ersten Lieferer die Verfügungsmacht an dem Liefergegenstand erhalten haben muss, bevor er seinerseits dem letzten Abnehmer die Verfügungsmacht verschaffen kann. Jedenfalls im Fall der Abholung des Liefergegenstands durch einen Beauftragten des ersten Abnehmers kann der erste Abnehmer die Verfügungsmacht erhalten haben. Dies allein führt ab noch nicht dazu, dass die Warenbewegung der Lieferung an den ersten Abnehmer zuzurechnen ist. und die erste Lieferung die innergemeinschaftliche Lieferung darstellt. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der zweite Abnehmer ebenfalls im Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung die Verfügungsmacht an dem Liefergegenstand erhält.

Grundsätzlich ist nach dem Urteil aber die Warenbewegung der ersten Lieferung zuzurechnen, wenn der erste Abnehmer dem liefernden Unternehmer gegenüber zu erkennen gibt, dass die Ware in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden soll und der erste Abnehmer mit einer USt-IdNr. dieses anderen Mitgliedstaates auftritt und der zweite Abnehmer die Verfügungsmacht an dem Liefergegenstand (erst) im Bestimmungsmitgliedstaat erhalten hat. Der Umstand, dass der zweite Abnehmer an der Beförderung od...

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