Rz. 4

[Autor/Stand] Das BVerfG hatte mit Beschluss vom 7.11.2006[2] entschieden, dass das damals geltende ErbStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstieß, weil einheitliche Steuersätze auf in gleichheitswidriger Weise ausgeprägt unterschiedlich bewertete Vermögensgegenstände angewandt wurden. Für die Neuregelung hatte es dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31.12.2008 gesetzt.

 

Rz. 5

[Autor/Stand] Mit Wirkung zum 1.1.2009 galt das Erbschaftsteuergesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 27.2.1997[4], geändert durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24.12.2008.[5] Bei Erwerben nach dem 31.12.2008 blieben bei Personen der Steuerklasse I die Steuersätze grundsätzlich unverändert; es kam lediglich zu einer Anhebung und Aufrundung der jeweiligen Tarifstufen.

 

Rz. 6

[Autor/Stand] Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach § 5 LPartG fallen nach dem Jahressteuergesetz 2010 (Art. 14) in die Steuerklasse I. Damit hat der Gesetzgeber sie Ehepartnern völlig gleichgestellt (s. § 15 ErbStG Rz. 16). Eingetragene Lebenspartner unterlagen bisher den hohen Tarifen der Steuerklasse III trotz ihrer Gleichstellung bei den Freibeträgen mit Ehegatten. Diese Ungleichbehandlung verstieß nach dem Beschluss des BVerfG vom 21.7.2010[7] gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es betraf alle eingetragenen Lebenspartnerschaften seit dem Inkrafttreten des LPartG[8] am 1.8.2001.

 

Rz. 7

[Autor/Stand] Bei Personen der Steuerklasse II oder der Steuerklasse III ergaben sich fast durchweg Verschlechterungen. Der Eingangssteuersatz betrug nunmehr in beiden Steuerklassen bereits 30 % bis zu einem steuerpflichtigen Erwerb von 6 Millionen Euro. Darüber betrug der Steuersatz jeweils 50 %. Besonders eklatant war die Verschlechterung in der Steuerklasse II. Personen der Steuerklasse II wurden mit Fremden der Steuerklasse III gleichgestellt.

 

Rz. 8

[Autor/Stand] Die gesetzliche Regelung zur Höhe des Steuersatzes für Erwerber der Steuerklasse II von 30 % in § 19 Abs. 1 ErbStG in der für vom 1.1. bis zum 31.12.2009 gültigen Fassung war verfassungsgemäß[11] Diese Auffassung hatte insoweit der BFH schon in seinem Vorlagebeschluss vom 27.9.2012 an das BVerfG[12] wegen der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 1 ErbStG vertreten und dies im abschließenden Urteil vom 20.1.2015 ausdrücklich bestätigt.[13]

 

Rz. 9

[Autor/Stand] Eine Gleichstellung in Haushalts- und Versorgungsgemeinschaft lebender Geschwister mit den Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern der Steuerklasse I hat der BFH mit Urteil vom 24.4.2014[15] abgelehnt.

 

Rz. 10

[Autor/Stand] Die unterschiedslose Besteuerung zwischen Verwandten der Steuerklasse II und nicht Verwandten in der Steuerklasse III ist durch Änderung des § 19 Abs. 1 ErbStG durch Art. 6 des Wachstumsbeschleunigungsgesetz[17] vom 22.12.2009 entfallen. Dies gilt jedoch erst für ab dem 1.1.2010 anfallende Erwerbe (aus haushaltsrechtlichen Gründen).[18] Der Freibetrag von 20.000 EUR nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG blieb jedoch unverändert. Die Beschränkung der Neuregelung für Erwerbe ab 2010 ist nicht willkürlich[19].

Zu beachten ist auch, dass das Finanzamt keine Änderung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 AO vornehmen darf, falls bei Eintrag der Steuerklasse II in der Erbschaftsteuererklärung als Verwandtschaftsgrad nur "Nichte oder Neffe" steht, es sich dabei jedoch nur um den Erbfall nach dem "angeheirateten" Onkel oder der "angeheirateten" Tante handelt (s. § 15 Rz. 61) und nur Steuerklasse III gegeben ist.[20]

 

Rz. 11

[Autor/Stand] Mit Urteil vom 17.12.2014 hat das BVerfG[22] festgestellt, dass die §§ 13a, 13b und § 19 Abs. 1 des jetzigen ErbStG seit dem Inkrafttreten des ErbStRG zum1.1.2009 nicht im Einklang mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes stehen (s. auch Einf. ErbStG Rz. 27). Der BFH hatte mit Beschluss vom 27.9.2012[23] Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des seit 2009 geltende ErbStG insb. wegen der weitreichenden Begünstigung von Betriebsvermögen durch die § 13a und § 13 ErbStG geäußert. Da in aller Regel es für die Steuerpflichtigen keine Beschwer durch diese Begünstigungsvorschriften gibt, wählte der BFH über die Tarifnorm des § 19 ErbStG den Angriff auf das ErbStG 2009,[24] weil die Verstöße gegen den Gleichheitssatz in den Bewertungs- und Verschonungsvorschriften erst durch den Tarif ihre Wirkung entfalten. Auf diesen Gedanken ging das BVerfG nicht näher ein, weil es die Entscheidungserheblichkeit bereits unmittelbar aus einer etwaigen Verfassungswidrigkeit der §§ 13a und 13b ErbStG ableitete.[25]

 

Rz. 12

[Autor/Stand] Das bisherige Recht war bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar.[27] Das Bundesverfassungsgericht hatte seine Fortgeltung angeordnet, der Gesetzgeber war jedoch verpflichtet, eine Neuregelung insoweit bis zum 30.6.2016 zu treffen. Verspätet hat der Gesetzgeber sodann durch das "Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" vom 4.11.2016[28] die Besteuerung des unternehmerischen Vermögens neu geregelt. Die Neuregelung gil...

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