Leitsatz

Nutzt eine Flugbegleiterin für zwei bis drei Übernachtungen pro Monat eine sog. Standby-Wohnung in Deutschland, begründet sie einen inländischen Wohnsitz i. S. des § 8 AO und ist deshalb unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Unmaßgeblich ist, dass die Flugbegleiterin ihre Wohnung lediglich als Hotelersatz ansieht (subjektive Einschätzung).

 

Sachverhalt

Eine Flugbegleiterin mietete gemeinsam mit ihrem Verlobten, der bei derselben Fluglinie tätig war, eine 26 qm große Wohnung in der Nähe eines deutschen Flughafens. Die Flugbegleiterin nutzte die Standby-Wohnung im Schnitt für zwei bis drei Übernachtungen im Monat, z. B. nach ihrem Dienst, während ihres Bereitschaftsdienstes oder bei mehrtägigen Schulungen. Ihre freie Zeit verbrachte sie an ihrem Familienwohnsitz im europäischen Ausland.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Flugbegleiterin in Deutschland einen Wohnsitz unterhielt und ging von einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht aus. In der Folge forderte das Finanzamt daher Lohn- und Kirchensteuer nach.

 

Entscheidung

Auch das FG sieht die Anforderungen an einen inländischen Wohnsitz i. S. des § 8 AO als erfüllt an. Die Standby-Wohnung ist eine Wohnung i. S. des § 8 AO, da sie mit ihren 26 qm Wohnfläche, eigenem Bad und eigener Küche objektiv zum dauerhaften Wohnen geeignet und bestimmt ist. Zwar ist der Raum spartanisch ausgestattet, eine bescheidene Bleibe genügt jedoch für die Annahme eines Wohnsitzes. Das Argument der Flugbegleiterin, dass die Wohnung - gemessen an ihren Einkommensverhältnissen - weit unter ihrem Niveau liegt, geht daher ins Leere. Auch konnte die Flugbegleiterin die Wohnung jederzeit aus eigenem Recht (als Mieterin) nutzen und hatte dies auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit getan. Sie hatte die Wohnung deshalb "inne".

Die relativ geringe Zahl an Übernachtungen ist unmaßgeblich, da die BFH-Rechtsprechung keine Mindestanzahl an jährlichen Aufenthaltstagen für die Annahme eines Wohnsitzes voraussetzt (BFH-Urteil vom 28.1.2004, I R 56/02). Dass der Aufenthalt in der Wohnung beruflich veranlasst war, spielt keine Rolle, da auch das Übernachten eine Nutzung zu Wohnzwecken darstellt. Die äußeren Umstände sprachen zudem dafür, dass die Flugbegleiterin die Wohnung beibehalten und auch künftig nutzen wird. Da sowohl ihr Arbeitsvertrag als auch der Mietvertrag unbefristet geschlossen waren, konnte das FG von einer dauerhaften Nutzung der Wohnung ausgehen. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 8 AO zieht das FG allein die objektiven Merkmale heran. Die subjektive Wertung der Flugbegleiterin, die ihre Wohnung lediglich eine Schlafstelle oder Hotelersatz einschätzte, ist daher nicht maßgeblich.

 

Hinweis

Der Urteilsfall zeigt, dass die Rechtsprechung relativ geringe Anforderungen an einen inländischen Wohnsitz i. S. des § 8 AO stellt. In Anbetracht der erheblichen steuerlichen Auswirkungen wäre es für die Flugbegleiterin vermutlich günstiger gewesen, für ihre sporadischen Übernachtungen ein Hotel zu nutzen.

Die Revision wurde zugelassen, ein Aktenzeichen des BFH ist noch nicht bekannt.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 13.12.2010, 3 K 1060/09

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