Rz. 1016

Die seit dem 1.1.1993 geltende Übergangsregelung für die Umsatzbesteuerung im europäischen Binnenmarkt soll nach Art. 402 MwStSystRL durch eine endgültige Regelung für die Besteuerung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten abgelöst werden, die von dem Grundsatz ausgeht, dass die gelieferten Gegenstände und die erbrachten Dienstleistungen im Ursprungsmitgliedstaat zu besteuern sind (Ursprungslandprinzip).

 

Rz. 1017

Die USt ist eine allgemeine Verbrauchsteuer, die gleichmäßig auf alle Waren und Dienstleistungen dort erhoben werden soll, wo diese an den Verbraucher gelangen. Dem Verbrauchsland soll deshalb die Steuer als Einnahme zufließen (Verbrauchslandprinzip). Da aber eine Besteuerung (Erhebung der Steuer) am jeweiligen tatsächlichen Verbrauchsort schon aus technischen Gründen i. d. R. nicht durchführbar ist, bedarf es für den Besteuerungsort einer anderen Lösung.

 

Rz. 1018

Ist der Ort eines Umsatzes und sein Verbrauch auf das Inland eines Mitgliedstaats begrenzt, ist nur ein Steuergläubiger zuständig, und die Besteuerung richtet sich i. d. R. nach dem Sitz des leistenden Unternehmers. Die Unterscheidung zwischen Ursprungslandprinzip und Verbrauchslandprinzip (auch: Bestimmungslandprinzip) spielt dann keine Rolle. Beide Prinzipien decken sich. Probleme treten erst dann auf, wenn Waren und Dienstleistungen aus dem Inland eines Mitgliedstaats in das eines anderen gelangen, in dem ein anderes Umsatzsteuerrecht gilt.

 

Rz. 1019

Bis Ende 1992 und auch während der befristeten umsatzsteuerlichen Übergangsregelung seit dem Wegfall der innergemeinschaftlichen Grenzkontrollen bei der USt zum 1.1.1993 erfolgt eine Besteuerung im Bestimmungsland. Dabei tritt die umsatzsteuerliche Belastung dort ein, wo die Ware oder die Dienstleistung tatsächlich verbraucht wird. Bei grenzüberschreitenden Lieferungen wird dies durch eine umsatzsteuerliche Entlastung im Ursprungsland und eine Belastung mit USt im Bestimmungsland sichergestellt. Bei Dienstleistungen, bei denen es keinen körperlichen Grenzübergang gibt, erfolgt eine Besteuerung im Bestimmungsland rechtlich durch eine entsprechende Verlagerung des Leistungsorts.

 

Rz. 1020

Das elementare Ziel der Umsatzsteuerharmonisierung im europäischen Binnenmarkt ist der Wegfall des steuerlichen Grenzausgleichs, mithin der Wegfall der umsatzsteuerlichen Entlastung im Ursprungsland und der Besteuerung im Bestimmungsland. Dieses endgültige Besteuerungssystem soll von dem Grundsatz ausgehen, dass die gelieferten Gegenstände und die erbrachten Dienstleistungen im Ursprungsmitgliedstaat zu besteuern sind. Dabei muss die Besteuerung innergemeinschaftlicher Umsätze an die Besteuerung von Inlandsumsätzen weitgehend angenähert werden.

 

Rz. 1021

Dies erfordert die Abschaffung der bisherigen Steuerbefreiung im Ursprungsmitgliedstaat und die Belastung mit der Steuer dieses Staates. Logische Konsequenz einer solchen Systemänderung ist im unternehmerischen Bereich die Gewährung des Vorsteuerabzugs für aus anderen Mitgliedstaaten stammende Steueransprüche, die leistende Unternehmer dort in Rechnung gestellt haben.

 

Rz. 1022

Mit der Umsatzbesteuerung nach dem Ursprungslandprinzip wird aber nur eine Aussage über den Ort getroffen, an dem die Besteuerung durchzuführen ist. Bei einer Besteuerung nach dem Ursprungslandprinzip würde die anfallende Steuer grundsätzlich dem Mitgliedstaat zufließen, in dem der Ort des Umsatzes liegt. Ist der Leistungsempfänger jedoch in einem anderen Mitgliedstaat ansässig, wird der erworbene Gegenstand oder die Dienstleistung i. d. R. auch dort verbraucht. Der Leistungsempfänger kann ggf. die ihm vom leistenden Unternehmer in Rechnung gestellte USt als Vorsteuer abziehen. Da das Umsatzsteueraufkommen aber weiterhin dem Mitgliedstaat zufließen soll, in dem der gelieferte Gegenstand oder die erbrachte Dienstleistung verbraucht wird, müsste ein Steuerausgleichssystem (Clearing-Verfahren) geschaffen werden.

 

Rz. 1023

Die Besteuerung der Lieferungen an Endverbraucher in Abholfällen (Lieferungen im Reiseverkehr) erfolgt derzeit dort, wo die Ware an den Abnehmer übergeben wird. Damit ist eine Besteuerung im Ursprungsland bereits uneingeschränkt gewährleistet. Die USt auf diese Lieferungen wird im Ursprungsland erhoben. Mit dieser Regelung, die bereits seit dem 1.1.1993 gilt, wird der freie Warenverkehr ohne Grenzkontrollen im europäischen Binnenmarkt dokumentiert. Die auf Lieferungen im Reiseverkehr erhobene USt verbleibt schon bisher ohne Ausgleich für den Verbrauchsmitgliedstaat im Ursprungsmitgliedstaat. Diese Regelung dürfte auch im endgültigen Mehrwertsteuersystem unverändert bestehen bleiben.

 

Rz. 1024

In ihrer Mitteilung v. 7.6.2000 an den Rat und das Europäische Parlament über die Strategie zur Verbesserung der Funktionsweise des MWSt-Systems im Binnenmarkt[1] hatte die Kommission ein Aktionsprogramm für ihre neue MWSt-Strategie vorgelegt, die kurz- und mittelfristig zu einer Vereinfachung, Modernisierung und einheitlicheren Anwendungen der bestehenden umsatzsteuerlichen ...

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