Rz. 716

Art. 36a MwStSystRL enthält eine erstmalige EU-einheitliche Definition des Reihengeschäfts bzw. die Bestimmung, welcher Lieferung in der Kette die Warenbewegung zugeordnet wird.[1]

 

Rz. 717

Art. 36a MwStSystRL regelt das Reihengeschäft nur für innergemeinschaftliche Warenlieferungen, nicht für Ausfuhr- oder Einfuhrreihengeschäfte. Hier bleibt es grundsätzlich bei der bisherigen Unionsrechtslage, die keine spezifische Regelung für Reihengeschäfte enthält. Allerdings könnte es nach Sinn und Zweck der Regelung in Art. 36a MwStSystRL denkbar sein, die dort enthaltenen neuen Grundsätze auch auf Ausfuhr- und Einfuhr-Reihengeschäfte anzuwenden, d. h. auf Warenlieferungen, die in der EU beginnen und in einem Drittland enden und umgekehrt.

 
Praxis-Beispiel

3 Lieferungen zwischen 4 Parteien (A, B, C und D), ansässig in 2 Mitgliedstaaten (MS) und in einem Drittstaat

In einem Reihengeschäft zwischen den Unternehmern A (erster Lieferer), B (Zwischenhändler), C (Zwischenhändler) und D (Endabnehmer) wird ein und derselbe Gegenstand verkauft. A ist in MS 1 ansässig und B ist in Mitgliedstaat (MS) 1 ansässig, C und D in einem Drittstaat (z. B. Schweiz). Der Liefergegenstand gelangt unmittelbar von MS 1 in die Schweiz. C veranlasst den Warentransport.

Variante 1: C verwendet gegenüber B eine ihm von MS 2 erteilte USt-IdNr. oder St-Nr.

In diesem Fall ist die warenbewegte Lieferung die Lieferung von B an C, steuerbar in MS 1 (Beginn der Beförderung/Versendung, Art. 32 MwStSystRL), die unter den Voraussetzungen von Art. 146 MwStSystRL als Ausfuhrlieferung steuerfrei ist. Die Lieferung von A an B ist steuerbar und steuerpflichtig in MS 1 (Art. 31 MwStSystRL, ruhende Lieferung). Die Lieferung von C an D ist nicht in der EU steuerbar, da der Lieferort in der Schweiz liegt (Art. 31 MwStSystRL, ruhende Lieferung).

Variante 2: C verwendet gegenüber B eine ihm von MS 1 erteilte USt-IdNr. oder St-Nr.

In diesem Fall ist die warenbewegte Lieferung die Lieferung von C an D (Art. 36a MwStSystRL, steuerbar in MS 1, da dort Beginn der Beförderung/Versendung, Art. 32 MwStSystRL), die unter den Voraussetzungen von Art. 146 MwStSystRL als Ausfuhrlieferung steuerfrei ist. Die Lieferungen von A an B und von B an C sind steuerbar und steuerpflichtig in MS 1 (Art. 31 MwStSystRL, ruhende Lieferungen).

Im Fall der Einfuhr eines Gegenstands in das Gemeinschaftsgebiet könnte (wie es im nationalen Recht nach § 3 Abs. 6a UStG geschieht) durch das Abstellen auf die Anmeldung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr bestimmt werden, dass die durch den Zwischenhändler ausgeführte Lieferung die warenbewegte Lieferung ist, wenn der Gegenstand der Lieferung in seinem Namen oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung[2] für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

 
Praxis-Beispiel

3 Lieferungen zwischen 4 Parteien (A, B, C und D), ansässig in 1 Drittstaat und in 2 Mitgliedstaaten (MS)

In einem Reihengeschäft zwischen den Unternehmern A (erster Lieferer), B (Zwischenhändler), C (Zwischenhändler) und D (Endabnehmer) wird ein und derselbe Gegenstand verkauft. A ist den USA ansässig, B ist in Mitgliedstaat (MS) 1 ansässig, C und D sind in Mitgliedstaat (MS) 2 ansässig. Der Liefergegenstand gelangt unmittelbar von von den USA in MS 2. C veranlasst den Warentransport.

Variante 1: D meldet die Ware zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an.

In diesem Fall wäre die warenbewegte Lieferung die Lieferung von B an C, nichtsteuerbar in der EU (Beginn der Beförderung/Versendung in den USA, Art. 32 MwStSystRL). Die Lieferung von A an B wäre ebenfalls nicht in der EU steuerbar (Art. 31 MwStSystRL, ruhende Lieferung in den USA). Die Lieferung von C an D wäre in MS 2 steuerbar (Art. 31 MwStSystRL, ruhende Lieferung nach Ende der Beförderung oder Versendung in MS 2).

Variante 2: C meldet die Ware zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr in MS 2 an.

In diesem Fall wäre die warenbewegte Lieferung die Lieferung von C an D, steuerbar in MS 2 (zwar Beginn der Beförderung/Versendung in den USA, Art. 32 Unterabs. 1 MwStSystRL, aber fiktive Verlagerung des Lieferorts ins Inland, weil der Lieferer die EUSt schuldet, Art. 32 Unterabs. 2 MwStSystRL). Die Lieferungen von A an B sowie von B an C wären nicht in der EU steuerbar (Art. 31 MwStSystRL, ruhende Lieferungen in den USA).

 

Rz. 718

Nach Art. 36a Abs. 4 MwStSystRL gelten die Reihengeschäftsregelungen ausdrücklich nicht für Fälle des Art. 14a MwStSystRL. Nach dieser Vorschrift werden Unternehmer, die Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, z. B. eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals oder Ähnlichem, unterstützen, ab 1.1.2021 so behandelt, als ob sie diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten.[3] Unternehmer, die die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmer...

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