Rz. 584

Mit der Richtlinie 2008/9/EG[1] wurde das vorher in der sog. 8. EG-Richtlinie[2] geregelte Verfahren der Erstattung von MwSt (Vorsteuer-Vergütung) an EU-Unternehmer mWv 1.1.2010 (zu diesem Zeitpunkt waren die Richtlinienvorschriften in nationales Recht umzusetzen) auf eine neue Grundlage gestellt. Die 8. EG-Richtlinie wurde aufgehoben. Die Richtlinie 2008/9/EG gilt für Erstattungsanträge, die nach dem 31.12.2009 gestellt werden.

 

Rz. 585

Die Grundvoraussetzungen des Erstattungsverfahrens (Erstattungsberechtigte, Nichtansässigkeit des antragstellenden Unternehmers, keine oder nur bestimmte Umsätze im Erstattungsstaat u. Ä.) sind mit der Richtlinie 2008/9/EG unverändert geblieben. Einzelne verfahrensrechtliche Aspekte wurden aber näher bestimmt und vereinfacht und die Rechte der Antragsteller (z. B. durch verkürzte Bearbeitungsfristen und eine Verzinsung der Erstattungsansprüche) gestärkt.

 

Rz. 586

Wie im bis 31.12.2009 geltenden Recht scheidet ein Erstattungsverfahren aus für in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträgefür Lieferungen, die gemäß Art. 138 MwStSystRL (innergemeinschaftliche Lieferungen) oder gemäß Art. 146 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL (Ausfuhrlieferungen, Beförderung oder Versendung durch Abnehmer) steuerfrei sind oder befreit werden können.[3] Gleiches gilt für nach den Rechtsvorschriften des Erstattungsstaats fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge.[4] Damit scheidet – wie im normalen Besteuerungsverfahren – ein Vorsteuerabzug (hier Erstattung) für Steuern aus, die nur aufgrund eines unzutreffenden Steuerausweises, nicht aber aufgrund des Umsatzes geschuldet werden.

 

Rz. 587

Art. 6 RL 2008/9/EG regelt die Ermittlung des Erstattungsbetrags. Grundvoraussetzung für eine Erstattung im Erstattungsstaat ist, dass der Antragsteller Umsätze bewirkt, die in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, ein Recht auf Vorsteuerabzug begründen.[5] Bewirkt der Antragsteller in seinem Ansässigkeitsstaat sowohl Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch Umsätze, für die das Vorsteuerabzugsrecht im Ansässigkeitsstaat nicht besteht, darf der Erstattungsstaat aus dem nach Art. 5 der Richtlinie erstattungsfähigen Betrag nur den Teil erstatten, der entsprechend der Anwendung von Art. 173 MwStSystRL (Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs) im Ansässigkeitsstaat auf die den Vorsteuerabzug eröffnenden Umsätze entfällt.

 

Rz. 588

Seit 1.1.2010 können die Antragsteller ihre Erstattungsanträge nur noch elektronisch, nicht mehr auf Papier, einreichen. Art. 7 RL 2008/9/EG regelt diesbezüglich die Verpflichtung des den Antrag stellenden Unternehmers, einen elektronischen Erstattungsantrag an den Erstattungsstaat zu richten und den Antrag im Ansässigkeitsstaat über das von diesem Staat eingerichtete elektronische Portal einzureichen. Hinsichtlich der Verordnung (EG) Nr. 1174/2009 v. 30.11.2009 mit den Regelungen der technischen Einzelheiten für die Übermittlung der von den Mitgliedstaaten benötigten zusätzlichen Angaben gemäß Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie vgl. Abschn. 4.15.

Zur Auslegung von Art. 8 und Art. 15 RL 2008/9/EG im Zusammenhang mit der Angabe von fortlaufenden Rechnungsnummern im Vergütungsantrag bzw. zu der Frage, ob auch die Angabe der Referenznummer einer Rechnung genügt, die als zusätzliches Ordnungskriterium neben der Rechnungsnummer auf einem Rechnungsbeleg ausgewiesen ist, vgl. EuGH v. 17.12.2020.[6]

 

Rz. 589

Nach Art. 10 RL 2008/9/EG kann der Erstattungsstaat verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Weg eine Kopie der Rechnung oder des Einfuhrdokuments einreicht, falls sich die Steuerbemessungsgrundlage auf einer Rechnung oder einem Einfuhrdokument auf mindestens 1.000 EUR oder den Gegenwert in der jeweiligen Landeswährung beläuft. Betrifft die Rechnung Kraftstoff, beträgt dieser Schwellenwert 250 EUR oder den Gegenwert in der jeweiligen Landeswährung.

 

Rz. 590

Die in Art. 16 RL 2008/9/EG geregelte Antragsfrist von neun Monaten ist eine Ausschlussfrist.[7]

Eine Vorsteuervergütung kann nicht mit der Begründung versagt werden, dass die im nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfrist ab Lieferung der Ware abgelaufen ist, wenn es dem Unternehmer unmöglich war, das Recht auf Vorsteuervergütung vor der Berichtigung von Rechnungen (in denen die MwSt erstmals ausgewiesen wird) auszuüben und er vorher weder im Besitz der Rechnungen war, noch von der Mehrwertsteuerschuld wusste. Erst nach der Berichtigung liegen die materiellen und formellen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug vor. Wenn weder ein Sorgfaltsmangel des Unternehmers, noch ein Missbrauch oder kollusives Zusammenwirken mit den Lieferanten vorliegt, kann eine Ausschlussfrist, die ab dem Zeitpunkt der Lieferung der Gegenstände zu laufen begonnen hätte und für bestimmte Zeiträume vor der Rechnungsberichtigung abgelaufen wäre, nicht wirksam gegen das Recht auf Vorsteuervergütung ins Feld geführt werden.[8]

 

Rz. 591

Die beantragte Erstattungssumme für Erstattungszeiträume kleiner als 1...

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