Rz. 147

Nach Art. 43ff. MwStSystRL gibt es verschiedene Anknüpfungspunkte für den Ort einer Dienstleistung (zu der ab 1.1.2010 geltenden Neuausrichtung der Ortsprinzipien vgl. Abschn. 4.10), wie z. B.:

  • Art. 45 regelt den Grundsatz, dass der Ort der Dienstleistung sich bei B2C-Leistungen danach bestimmt, wo der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung (Betriebsstätte) hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird (Sitzortprinzip).
  • Art. 44 regelt bei B2B-Leistungen das Empfängerortprinzip.
  • Abweichend davon gilt z. B. nach Art. 47 MwStSystRL als Ort der Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück der Ort, wo das Grundstück gelegen ist.
  • Als Ort einer Personenbeförderungsleistung und Güterbeförderungsleistung, nicht innergemeinschaftlich (B2C), gilt grundsätzlich der Ort, wo die Beförderung nach Maßgabe der zurückgelegten Beförderungsstrecke jeweils stattfindet. Als Ort einer Güterbeförderungsleistung (B2C, innergemeinschaftlich) gilt der Abgangsort der Beförderung.[1]
  • Als Ort einer Dienstleistung (B2B) betreffend die Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaft, des Unterrichts, der Unterhaltung oder für ähnliche Veranstaltungen wie Messen und Ausstellungen des Unterrichts gilt der Ort, an dem diese Veranstaltungen tatsächlich stattfinden.[2]
  • Als Ort kultureller, sportlicher, wissenschaftlicher, unterrichtender, unterhaltender Tätigkeiten, Nebentätigkeiten des Transportgewerbes, Begutachtungen beweglicher körperlicher Gegenstände und Arbeiten an solchen Gegenständen (B2C) gilt der Ort, wo die Dienstleistung tatsächlich bewirkt wird.[3]
  • Als Ort der sog. Katalogleistungen (B2C) gilt der Ort, wo der Empfänger seinen Sitz oder seine Betriebsstätte im Drittlandsgebiet hat – Empfängerortprinzip.[4]

Nach dem reinen Wortlaut von Art. 43 MwStSystRL[5] standen der Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit und der Ort der festen Niederlassung gleichrangig nebeneinander. Als Leistungsort konnte einer der beiden Ortsbegriffe in Betracht kommen. Nach der – aus deutscher Sicht lediglich klarstellenden – Neufassung bei der Übernahme der bis zum 31.12.2009 geltenden Regelung des Art. 43 MwStSystRL zum 1.1.2010 ist es aber eindeutig, dass in den Fällen, in denen eine sonstige Leistung, deren Leistungsort sich z. B. nach Art. 45 MwStSystRL bestimmt, tatsächlich von einer festen Niederlassung aus erbracht wird, der Leistungsort sich am Ort der festen Niederlassung befindet. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie, insbesondere in seinem Urteil v. 2.5.1996[6] dargelegt, dass er den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit als vorrangigen Anknüpfungspunkt an den Leistungsort sieht. Die Berücksichtigung einer festen Niederlassung, von der aus die Dienstleistung erbracht wird, ist nur dann von Interesse, wenn die Anknüpfung an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn sie einen Konflikt mit einem anderen EU-Mitgliedstaat zur Folge hat.[7] Jedoch hat der EuGH in seinem Urteil v. 20.2.1997[8] entschieden, dass der Ort der Dienstleistung auch am Sitz der festen Niederlassung liegen kann, wenn diese als solche anzusehen ist. In dem zu entscheidenden Fall ging es um Reiseleistungen, die von einem dänischen Reiseveranstalter im Vereinigten Königreich über eine dort ansässige Gesellschaft erbracht wurden, die als "bloße Hilfsperson" des dänischen Unternehmens betrachtet wurde. Dies ist auch konsequent, weil bei Reiseleistungen nach Art. 26 Abs. 2 S. 2 der 6. EG-Richtlinie der Leistungsort an dem Ort liegt, "in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat". Insoweit ist Art. 26 Abs. 2. S. 2 der 6. EG-Richtlinie[9] inhaltsgleich mit Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie.[10]

Die deutsche Finanzverwaltung legt Art. 307 MwStSystRL allerdings mittlerweile[11] so aus, dass § 25 UStG bei Reiseleistungen von Unternehmern mit Sitz im Drittland und ohne feste Niederlassung im Gemeinschaftsgebiet nicht anwendbar ist.

 

Rz. 148

Bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft sind eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen; in erster Linie aber der satzungsmäßige Sitz oder der Ort der zentralen Verwaltung. Andere Elemente, wie der Wohnsitz der Hauptführungskräfte und der Ort, an dem die Gesellschafterversammlung zusammentritt, können (erst) in zweiter Linie in Betracht gezogen werden, wenn es z. B. darum geht, bei einer "Briefkastenfirma" den tatsächlichen Sitz zu bestimmen. "Ansässigkeit" i. S. d. MwStSystRL verlangt nach dem Wortsinn des Begriffs, dass eine Person einen dauerhaften festen Bezugspunkt in dem betroffenen Staat hat. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Richtlinien gerade nicht die Begriffe "Wohnort" oder "Sitz", sondern den Begriff der Ansässigkeit verwenden, der eine weiter gehende Auslegung zulässt a...

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