Rz. 107

Art. 14 MwStSystRL regelt den Begriff der Lieferung von Gegenständen. Abs. 1 enthält die Grundsatzdefinition, wonach als Lieferung eines Gegenstands die Übertragung der Befähigung gilt, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Bei einer Lieferung muss nicht das rechtliche Eigentum an dem Gegenstand übertragen werden.[1] Die Lieferung eines Gegenstands ist somit in erster Linie ein Vorgang tatsächlicher Natur, der i. d. R. zwar mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang verbunden ist, aber nicht notwendigerweise verbunden sein muss. Vorrangig kommt es auf die wirtschaftliche, nicht auf die rechtliche Übertragung eines körperlichen Gegenstands an. Es ist daher nicht erforderlich, dass der Lieferer Eigentümer des Gegenstands ist oder dass der Abnehmer Eigentümer des Gegenstands wird. Zum Lieferbegriff bei Kundenbindungsprogrammen, bei denen Endverbraucher, die bei Einzelhändlern Waren erwerben, im Rahmen dieses Programms Treuepunkte erhalten, die sie gegen Treueprämien in Form von Waren oder Dienstleistungen einlösen können, gilt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Lieferung der Treueprämie von dem Lieferer an den Endverbraucher und damit keine Leistung des Lieferers an den Manager des Kundenprogramms vorliegt. Bei Umsätzen einerseits, bei denen die Endverbraucher Punkte erhalten, und bei der Weitergabe von Treueprämien bei der Einlösung der Punkte andererseits liegen zwei wirtschaftliche und damit auch umsatzsteuerlich getrennte Vorgänge vor.[2]

 

Rz. 108

Der Begriff "Lieferung von Gegenständen" stellt nicht auf die Eigentumsübertragung in den im anwendbaren nationalen Recht vorgesehenen Formen ab, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Unter diesen Umständen kann ein Leasingvertrag über ein Kfz einem Kaufvertrag gleichgestellt werden. Wenn der Leasingvertrag über ein Kfz vorsieht, dass das Eigentum an dem Fahrzeug am Ende der Vertragslaufzeit auf den Leasingnehmer übertragen wird oder dass der Leasingnehmer über wesentliche Elemente des Eigentums an dem Fahrzeug verfügt, insbesondere, dass die mit dem rechtlichen Eigentum an dem Fahrzeug verbundenen Chancen und Risiken zum überwiegenden Teil auf ihn übertragen werden und die abgezinste Summe der Leasingraten praktisch dem Verkehrswert des Gegenstands entspricht, ist der Umsatz mit dem Erwerb eines Investitionsguts gleichzusetzen.[3]

Die Einordnung als "Lieferung von Gegenständen" i. S. v. Art. 14 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL setzt drei Bedingungen voraus; es muss eine Übertragung des Eigentumsrechts stattfinden, diese muss aufgrund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes vorgenommen werden und es muss eine Entschädigung gezahlt werden. Die kraft Gesetzes und gegen Zahlung einer Entschädigung erfolgte Übertragung des Eigentums an einer Immobilie eines Unternehmers (hier der Gemeinde) auf den Fiskus in einer Situation, in der dieselbe Person gleichzeitig das enteignende Organ und die enteignete Gemeinde vertritt und in der Letztere in der Praxis die betreffende Immobilie weiterhin verwaltet, stellt auch dann einen steuerbaren Umsatz dar, wenn die Leistung der Entschädigung nur in einer internen Umbuchung im Rahmen des Gemeindehaushalts besteht. Die Übertragung des Eigentumsrechts muss nicht notwendigerweise eine Übertragung im wirtschaftlichen Sinne sein. Art. 14 Abs. 2 MwStSystRL ist lex spezialis gegenüber Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL und geht dieser Vorschrift vor. Insbesondere nimmt die Definition der Lieferung in Art. 14 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL in keiner Weise auf die "Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen" Bezug, um die es in Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL geht.[4]

Der in Art. 14 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL verwendete Ausdruck "Mietvertrag, der regelmäßig die Klausel enthält, dass das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird" ist dahin auszulegen, dass er auf einen Standard-Mietvertrag mit Kaufoption anzuwenden ist, wenn aufgrund der finanziellen Vertragsbedingungen davon ausgegangen werden kann, dass, wenn der Vertrag bis zum Ende seiner Laufzeit ausgeführt wird, die Optionsausübung zum gegebenen Zeitpunkt als die einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheint. Ein Kfz-Leasingvertrag darf, wenn er zu einer Lieferung (und nicht zu einer Dienstleistung) führen soll, dem Leasingnehmer keine echte wirtschaftliche Alternative in dem Sinne bieten, dass er zu dem Zeitpunkt, an dem er eine Wahl zu treffen hat, je nach Interessenlage den Gegenstand entweder erwerben, dem Leasinggeber zurückgeben oder weiter mieten kann. Aus den – zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung und objektiv zu beurteilenden – Vertragsbestimmungen muss zur Annahme einer Lieferung deutlich hervorgehen, dass das Eigentum am Gegenstand automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll, wenn ...

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