Rz. 83

Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL enthält die grundsätzliche Begriffsbestimmung des Steuerpflichtigen (Unternehmer). Von zentraler Bedeutung ist hierbei der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeiten. Dies sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfasst. Bei Lieferungen innerhalb eines sog. Umsatzsteuerkarussells, die nicht selbst mit Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind, stellen diese Umsätze eine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit dar, wenn sie die objektiven Kriterien der wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. des Lieferbegriffs erfüllen. Es kommt auf die Absicht eines anderen Unternehmers in der Lieferkette (den der betroffene Unternehmer weder kannte noch kennen konnte), Umsatzsteuerbetrügereien zu begehen, nicht an. Das Vorsteuerabzugsrecht des betroffenen Unternehmers, der Umsätze in einer Lieferkette ausführt, wird auch nicht dadurch berührt, dass in der Lieferkette ein anderer Umsatz, der dem vom betroffenen Unternehmer getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist, ohne dass der betroffene Unternehmer hiervon Kenntnis hat oder haben kann.[1] Das gilt zwar auch dann, wenn der Betrug mit dem Eingangsumsatz einhergeht, für den der Betroffene den Vorsteuerabzug begehrt. In einem solchen Fall ist der Vorsteuerabzug jedoch ausgeschlossen, wenn der Betroffene von dem Betrug Kenntnis hatte (oder hätte haben müssen).[2]

 

Rz. 84

Die Vermietung eines körperlichen Gegenstands ist eine Nutzung i. S. d. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL, wenn sie nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen erfolgt. Zweck und Ergebnis einer solchen Tätigkeit sind unerheblich.[3] Der Begriff der Nutzung bezieht sich auf alle Vorgänge ohne Rücksicht auf deren Rechtsform, die darauf abzielen, aus dem betroffenen Gegenstand nachhaltig Einnahmen zu erzielen.[4] Ein Gesellschafter, der ein Gebäude entgeltlich an die Gesellschaft vermietet, an der er beteiligt und die Unternehmer ist, wird mit der Vermietungsleistung selbst unternehmerisch tätig. Dies gilt auch dann, wenn die Vermietungsleistung die einzige Tätigkeit des Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft ist. Die Gesellschaft und der Gesellschafter können insoweit nicht als unternehmerische Einheit angesehen werden.[5] Der Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer GmbH, der lediglich ein festes Monatsgehalt und ein jährliches Urlaubsgeld und sonst keine weiteren Vergütungen für seine Tätigkeit erhält, ist nicht Steuerpflichtiger (Unternehmer) i. S. v. Art. 9 Abs. 1, Art. 10 MwStSystRL.[6] Eine natürliche Person, die einen Wald für ihren persönlichen Bedarf erworben hat und Holzlieferungen zur Abmilderung der Auswirkungen eines Ereignisses höherer Gewalt (z. B. eines Sturms) tätigt, ist ein Unternehmer i. S. v. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL.[7]

Art. 9 Abs. 1 und Art. 193 MwStSystRL sind dahingehend auszulegen, dass eine natürliche Person, die mit einer anderen natürlichen Person eine Vereinbarung über eine gemeinsame Tätigkeit geschlossen hat, mit der eine Personengesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit begründet wird, in deren Rahmen die erste Person im Namen aller Partner zu handeln befugt ist, jedoch im Verhältnis zu Dritten – wenn sie die Handlungen vornimmt, aus denen die mit dieser Personengesellschaft verfolgte wirtschaftliche Tätigkeit besteht – allein und im eigenen Namen auftritt, diese Tätigkeit selbstständig ausübt und daher als "Steuerpflichtiger" i. S. v. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL und als alleinige Schuldnerin der MwSt nach Art. 193 MwStSystRL anzusehen ist, da sie als Kommissionärin für eigene oder für fremde Rechnung i. S. d. Art. 14 Abs. 2 Buchst. c und Art. 28 MwStSystRL tätig wird.[8]

 

Rz. 85

Die gebührenpflichtige Überlassung von Straßen, Tunnels und Brücken ist eine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit. Eine hoheitliche, nicht umsatzsteuerbare Tätigkeit liegt nur dann vor, wenn die Straßennetzbetreiber öffentlich-rechtliche Einrichtungen sind und im Rahmen besonderer gesetzlicher Regelungen tätig werden. Sind die Betreiber keine öffentlichen Einrichtungen, ist ihre Tätigkeit auch dann unternehmerisch, wenn für die Tätigkeit besondere rechtliche Bestimmungen gelten.[9] Die Versteigerung sog. UMTS-Mobilfunklizenzen durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist keine wirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL.[10]

 

Rz. 86

Der Betrieb einer netzgeführten Fotovoltaikanlage ohne eigene Stromspeichermöglichkeit auf oder neben einem Eigenheim erfüllt die Voraussetzungen einer "wirtschaftlichen Tätigkeit" i. S. v. Art. 9 MwStSystRL, auch wenn die Anlage technisch derart ausgelegt ist, dass deren Stromerzeugung von vornherein dauerhaft die durch den Anlagenbetreiber insgesamt privat verbrauchte Strommenge ...

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