Rz. 384

Gemäß Art. 395 MwStSystRL kann der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von der Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten.

 

Rz. 385

Nach Art. 394 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten alte Sondermaßnahmen, die sie bei Inkrafttreten der 6. EWG-Richtlinie anwendeten, beibehalten, wenn sie der EU-Kommission mitgeteilt wurden und es sich ebenfalls um Maßnahmen zur Steuervereinfachung bzw. der Verhütung von Steuermissbrauch handelte.

 

Rz. 386

Ratsbeschlüsse nach Art. 395 MwStSystRL werden allgemein erst seit 1984 im Amtsblatt L der EU als "nicht veröffentlichungsbedürftige Rechtsakte" bekannt gemacht. Die Veröffentlichung von Beschlüssen des Rates nach Art. 395 MwStSystRL hat lediglich deklaratorischen Charakter. Sie stellt kein Wirksamkeitserfordernis für die Entscheidung selbst oder für die von ihr betroffenen Maßnahmen dar. Bei einer Ermächtigung des Rates handelt es sich um eine an den betreffenden Mitgliedstaat gerichtete Entscheidung i. S. v. Art. 189 Abs. 4 EG-Vertrag, die durch die Bekanntgabe an denjenigen, für den sie bestimmt ist, wirksam wird.[1]

 

Rz. 387

Nicht veröffentlichte Ermächtigungen des Rates nach Art. 395 MwStSystRL betreffen die Mindestbemessungsgrundlage[2] und den Verzicht auf die Steuererhebung im Börsenhandel mit Edelmetallen.[3]

 

Rz. 388

Nicht veröffentlichte Maßnahmen nach Art. 394 MwStSystRL betreffen:

  • Behandlung von kurzen Strecken im grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr[4], wobei die EU-Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland die Auffassung vertreten hatte, Deutschland verstoße gegen seine Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 48 und Art. 394 i. V. m. Art. 395 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL, indem bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen inländische Streckenanteile, die in einer Fahrtrichtung nicht länger als 10 Kilometer sind, als ausländische Beförderungstrecken angesehen und daher nicht besteuert werden (aufgrund dieses Vertragsverletzungsverfahrens wurde § 5 UStDV mWv 1.7.2021 aufgehoben[5]);
  • Steuerbefreiung für bestimmte Umsätze der Deutschen Bundesbahn an ausländische Eisenbahnverwaltungen,[6]
  • Verzicht auf die Steuererhebung bei Einfuhren[7]
  • Durchschnittskurse für die Umrechnung von Werten in fremder Währung[8]
  • Durchschnittsbeförderungsentgelt bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen[9]
  • Pauschalierung der Vorsteuern für Reisekosten[10]
  • Nichtbesteuerung der Umsätze an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer in Zollfreigebieten.[11]
[1] Schlussanträge v. 27.2.1997,  C-63/96, Skripalle.
[2] § 10 Abs. 5 UStG 1980.
[3] § 18 Abs. 7 Nr. 1 UStG 1980, § 49 UStDV 1980.
[4] § 3a Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980, §§ 2 bis 7 UStDV 1980.
[5] JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl I 2020, 3096.
[6] § 4 Nr. 6 UStG 1980.
[7] § 18 Abs. 7 Nr. 2 UStG 1980, § 50 UStDV 1980.
[8] § 16 Abs. 6 UStG 1980.
[9] § 10 Abs. 6 UStG 1980, § 25 UStDV 1980.
[10] § 15 Abs. 8 Nr. 4 UStG 1980, §§ 36 bis 38 UStDV 1980.
[11] § 1 Abs. 3 UStG 1980.

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