Rz. 378

Die Art. 109ff. und 370ff. MwStSystRL ermächtigen die Mitgliedstaaten, für verschiedene Übergangsfristen von den allgemeinen Bestimmungen der Richtlinie abweichende innerstaatliche Regelungen beizubehalten. Diese Übergangsbestimmungen beziehen sich auf abweichende Steuersätze, Steuerbefreiungen, wo die Richtlinie eine Besteuerung vorsieht und Besteuerungen, wo die Richtlinie die Steuerbefreiung verlangt.

Die in Art. 103 Abs. 2 Buchst. a und in Anhang IX Teil A Nr. 7 MwStSystRL verwendeten Begriffe "Urheber" bzw. "Künstler" sind insbesondere unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung, die Nr. 7 der persönlichen Beteiligung des Urhebers der Fotografie bei deren Herstellung beimisst, gleichbedeutend. Eine Fotografie wird nur dann als "Kunstgegenstand" i. S. d. Nr. 7 eingestuft, wenn zwei bedeutende Abschnitte ihrer Herstellung, nämlich die Aufnahme und das Erstellen von Abzügen, vom Urheber der Fotografie bzw., beim Erstellen von Abzügen, zumindest unter seiner Überwachung durchgeführt werden. Um als "Kunstgegenstände" zu gelten, müssen die Abzüge der Fotografien zudem signiert und nummeriert sein; ihre Gesamtzahl darf 30 nicht überschreiten. Deshalb kann aus der Verwendung des Begriffs "Künstler" in Anhang IX Teil A Nr. 7 MwStSystRL nicht abgeleitet werden, dass eine Fotografie über die in Nr. 7 genannten Voraussetzungen hinaus auch einen künstlerischen Charakter aufweisen müsste, damit auf sie der ermäßigte Steuersatz nach Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL anwendbar ist.[1]

[1] EuGH v. 5.9.2019, C-145/18, Regards Photographiques, Haufe-Index 13393240, HFR 2019, 928.

2.3.15.1 Steuersätze

 

Rz. 379

Die Übergangsbestimmungen hinsichtlich der Steuersätze finden sich in Art. 109ff. MwStSystRL. Sie gelten für die Zeit der in Art. 402 geregelten Geltungsdauer der Übergangsregelung für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs. Es obliegt jedem Mitgliedstaat die Umsätze zu bestimmen und zu definieren, auf die bis zum 31.12.1992 ein ermäßigter Steuersatz nach Art. 12 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie anwendbar war und seit dem 1.1.1993 ein ermäßigter Steuersatz nach Art. 28 Abs. 2 Buchst. e der EG-Richtlinie[1] anwendbar ist.[2] Zur Anwendbarkeit eines sog. Nullsatzes und zur Anwendbarkeit des Prinzips der ungerechtfertigten Bereicherung bei der Bemessung von Rückforderungsansprüchen bei zu viel entrichteter USt vgl. EuGH v. 10.4.2008.[3]

[1] Jetzt Art. 118 MwStSystRL.
[2] EuGH v. 11.10.2001, C-267/99, Adam, BFH/NV Beilage 2002, 21.
[3] EuGH v. 10.4.2008, C-309/06, Marks & Spencer, BFH/NV Beilage 2008, 216.

2.3.15.2 Steuerbefreiungen

 

Rz. 380

Nach Art. 371 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten die in Anhang X Teil B der Richtlinie aufgeführten Umsätze weiterhin befreien. Die Liste dieser Umsätze ist bereits durch die 18. EG-Richtlinie verkürzt worden. Ein Mitgliedstaat, der von einer Steuerbefreiung nach Anhang X Teil B MwStSystRL keinen Gebrauch macht oder sie nur eingeschränkt anwendet, kann diesen Befreiungstatbestand nicht wieder einführen oder eine bereits bestehende Befreiung ausweiten. Das gilt auch für Befreiungen, die vor Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie bestanden und dann abgeschafft wurden.[1] Die Mitgliedstaaten dürfen bereits bestehende Steuerbefreiungen zwar nicht ausweiten. Die Befreiungen einzuschränken oder abzuschaffen, steht den Zielen der Richtlinie jedoch nicht entgegen.[2]

 

Rz. 381

Beim gegenwärtigen Stand der Harmonisierung des Mehrwertsteuersystems steht der unionsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach denen grenzüberschreitende Personenbeförderungen mit Luftfahrzeugen entsprechend Anhang X Teil B Nr. 10 MwStSystRL weiterhin steuerfrei sind, während grenzüberschreitende Personenbeförderungen mit Bussen besteuert werden.[3] Grenzüberschreitende Personenbeförderungen mit Flugzeugen unterliegen in Deutschland im Ergebnis dem Nullsatz, grenzüberschreitende Personenbeförderungen mit Omnibussen dagegen dem Normalsatz. Diese Ungleichbehandlung, die in der Vergangenheit auch in Deutschland des Öfteren beklagt worden ist, ist nach dem EuGH-Urteil nach derzeit geltendem Unionsrecht zulässig. Die in Anhang X Teil B Nr. 2 MwStSystRL erwähnten freien Berufe sind Tätigkeiten, die ausgesprochen intellektuellen Charakter haben, eine hohe Qualifikation verlangen und gewöhnlich einer genauen und strengen berufsständischen Regelung unterliegen. Bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit hat das persönliche Element besondere Bedeutung, und diese Ausübung setzt auf jeden Fall eine große Selbstständigkeit bei der Vornahme der beruflichen Handlungen voraus.[4]

[1] EuGH v. 27.10.1992, C-74/91, Kommission/Deutschland, HFR 1993, 99.
[2] EuGH v. 29.4.1999, C-136/97, Norbury Developments, HFR 1999, 592.
[3] EuGH v. 13.7.2000, C-36/99, Idéal tourisme, HFR 2000, 761.
[4] EuGH v. 11.10.2001, C-267/99, Adam, BFH/NV Beilage 2002, 21.

2.3.15.3 Beibehaltung von Besteuerungen

 

Rz. 382

Nach Art. 370 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten die in Anhang X Teil A der Richtlinie aufgeführten Umsätze, die grundsätzlich zu befreien wären, weiterhin bes...

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