Rz. 340

Art. 281 bis 294 MwStSystRL sehen für Kleinunternehmer – je nach der Ausgangslage in den einzelnen Mitgliedstaaten – verschiedene Sonderregelungen in Form

  • eines vereinfachten Besteuerungsverfahrens (Pauschalregelung),
  • einer Steuerbefreiung
  • einer degressiven Steuerermäßigung (Steuerabzugsbetrag)

vor. Es ist den Mitgliedstaaten überlassen, ob und inwieweit sie die Sonderregelungen anwenden.

 

Rz. 341

Nach dem Wortlaut des Art. 281 MwStSystRL dürfen Pauschalregelungen – technische Vereinfachungen bei der Besteuerung und der Steuererhebung – nicht zu einer Steuerermäßigung führen. Kleinunternehmer sind Unternehmer, bei denen die normale Besteuerung wegen ihrer Tätigkeit oder Struktur auf Schwierigkeiten stoßen würde. Diese Definition ist so vage, dass die Mitgliedstaaten selbst bestimmen können, welche Unternehmer sie als Kleinunternehmer ansehen.

Es ist zulässig, einem Steuerpflichtigen die rückwirkende Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu versagen, wenn dieser zwar alle materiellen Voraussetzungen erfüllt, bei Aufnahme seiner wirtschaftlichen Tätigkeit aber das Wahlrecht zur Anwendung der Sonderregelung (die wie eine Steuerbefreiung wirkt) nicht ausgeübt hat.[1]

 

Rz. 342

In den Mitgliedstaaten bereits bestehende Steuerbefreiungen oder degressive Steuerermäßigungen dürfen beibehalten werden, wenn sie der Mehrwertsteuersystematik entsprechen.[2] Die Steuerbefreiung kann bis zu einem Jahresumsatz von 5.000 EUR gewährt werden. In den Mitgliedstaaten, in denen die Umsatzgrenze bereits größer als 5.000 EUR ist, kann sie zur Wahrung des realen Werts erhöht, also der Preissteigerung angepasst werden.[3] Wird für Kleinunternehmer eine Steuerbefreiung angewendet, ist das Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, und MwSt darf in der Rechnung nicht ausgewiesen werden.[4] Kleinunternehmer, für die eine degressive Steuerermäßigung gilt, werden grundsätzlich wie alle anderen Unternehmer auch behandelt.[5]

 

Rz. 343

Die Umsatzgrenze[6] bestimmt sich nach der Summe der steuerpflichtigen Umsätze, einschließlich der dem Nullsatz unterliegenden Umsätze, sowie steuerfreier Leistungen, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, und steuerfreier Immobilien-, Finanz- und Versicherungsgeschäfte. Diese dürfen allerdings keine Hilfsumsätze sein. Nicht zum Gesamtumsatz gehören auch die Veräußerungen von Investitionsgütern. Die Beschränkung der Kleinunternehmerregelung auf im Inland ansässige Unternehmer[7] verstößt nicht gegen die Niederlassungsfreiheit[8] oder die Dienstleistungsfreiheit.[9]

 

Rz. 344

Die Vermietung einer Immobilie durch eine steuerpflichtige natürliche Person, deren wirtschaftliche Tätigkeit ansonsten in der Ausübung mehrerer freier Berufe besteht, stellt keinen "Nebenumsatz" i. S. v. Art. 288 Abs. 1 Nr. 4 MwStSystRL dar, wenn dieser Umsatz im Rahmen einer gewöhnlichen beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen getätigt wird.[10]

Nach dem von Wortlaut von Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL setzt sich der Umsatz des Steuerpflichtigen aus dem Gesamtbetrag ohne MwSt der besteuerten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen zusammen, wobei sich das Wort "besteuert" aber nicht auf das Wort "Betrag", sondern auf "Lieferungen" oder "Leistungen" bezieht. Somit ist für die Bestimmung des Gesamtumsatzes nach der Kleinunternehmerregelung bei einem differenzbesteuernden Unternehmer von dem Gesamtbetrag der von einem Wiederverkäufer ausgeführten Lieferungen auszugehen und nicht von der Handelsspanne der Umsätze.[11]

Unter dem Begriff "Jahresumsatz" i. S. d. Art. 284 bis 287 MwStSystRL ist der Umsatz zu verstehen, der in einem Jahr im Mitgliedstaat der Ansässigkeit (und nicht innerhalb der gesamten EU) erzielt wird.[12]

[1] Vgl. EuGH v. 17.5.2018, C-566/16, Dávid Vámos, Haufe-Index 11754146, HFR 2018, 594.
[10] EuGH v. 9.7.2020, C-716/18, AJFP Caraş-Severin und DGRFP Timişoara, BFH/NV 2020, 1037.
[11] EuGH v. 29.7.2019, C-388/18, B, BFH/NV 2019, 1213.
[12] EuGH v. 26.10.2010, C-97/09, Schmelz, BFH/NV 2010, 2380

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