Rz. 302

Nach Art. 176 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten alle Vorsteuerausschlüsse beibehalten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie in den nationalen Vorschriften vorgesehen waren. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten nach Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht keine neuen Vorsteuerausschlüsse mehr einführen durften (sog. stand-still-Klausel). Ein solcher Vorsteuerausschluss kann auch nicht mit außersteuerlichen Gründen (z. B. ökologische Ziele) gerechtfertigt werden.[1] Der EuGH hat festgestellt, dass Mitgliedstaaten Vorsteuerausschlüsse gemäß Art. 176 MwStSystRL nach und nach aufheben dürfen.[2] Der umgekehrte Weg hingegen, nämlich die Einführung neuer Vorsteuerausschlüsse, ist mit Art. 176 MwStSystRL nicht vereinbar. Dies gilt auch für alte Vorsteuerausschlüsse, die im Rahmen einer Neuregelung weiter ausgedehnt werden.[3]

 

Rz. 303

Der Umfang des Vorsteuerausschlusses ist durch die 2. EG-Richtlinie beschränkt, d. h., es dürfen nur die Vorsteuerausschlüsse beibehalten werden, die nach Art. 11 Abs. 4 der 2. EG-Richtlinie rechtmäßig waren. Diese Regelung sah vor, dass die Mitgliedstaaten "bestimmte Gegenstände und bestimmte Dienstleistungen …, und zwar insbesondere die Gegenstände und Dienstleistungen, die ganz oder teilweise für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen oder seines Personals verwendet werden können", von der Regelung des Vorsteuerabzugs ausschließen können. Demnach erlaubt Art. 11 Abs. 4 der 2. EG-Richtlinie den Mitgliedstaaten zwar, bestimmte Gegenstände, wie z. B. Kfz, vom Vorsteuerabzug auszuschließen, nicht aber, von dieser Regelung alle Gegenstände oder Dienstleistungen auszuschließen, soweit sie von bestimmten Unternehmern erbracht werden. Mit Art. 176 MwStSystRL haben die Mitgliedstaaten somit nicht die Möglichkeit, alle oder praktisch alle Gegenstände und Dienstleistungen vom Vorsteuerabzug auszuschließen und auf diese Weise die Regelung in Art. 11 Abs. 1 der 2. EG-Richtlinie gegenstandslos zu machen. Diese Befugnis bezieht sich daher nicht auf allgemeine Ausschlüsse und enthebt die Mitgliedstaaten nicht der Verpflichtung, die Gegenstände und Dienstleistungen, für die der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, hinreichend zu konkretisieren.[4] Von daher ist es unzulässig, auf der Basis von Art. 176 MwStSystRL Eingangsleistungen, die von Unternehmern bezogen oder an diese bezahlt werden, die in sog. Steuerparadiesen ansässig sind, vom Vorsteuerabzug auszuschließen.[5] Art. 176 MwStSystRL lässt es auch nicht zu, den Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn der Aussteller der Rechnung einer nationalgesetzlich geregelten Verpflichtung nicht nachgekommen ist, sich in einem Register für die Steuer auf Waren und Dienstleistungen eintragen zu lassen.[6]

 

Rz. 304

Bis zur Harmonisierung des Vorsteuerabzugs dürfen die Ausschlüsse auch dann beibehalten werden, wenn Gegenstände betroffen sind, die ausschließlich unternehmerisch genutzt werden. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die ursprüngliche 4-Jahresfrist nach Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie bereits abgelaufen ist.[7] Die Harmonisierung der Vorsteuerausschlüsse ist nicht nur für Aufwendungen ohne streng unternehmerischen Charakter vorgesehen.[8]

 

Rz. 305

Ein Mitgliedstaat, der Vorsteuerausschlüsse i. S. v. Art. 176 MwStSystRL beibehalten hat, ist berechtigt, diese – auch unter bestimmten Bedingungen – partiell abzuschaffen und den Vorsteuerabzug zu gewähren.[9] Art. 176 Unterabs. 2 MwStSystRL erlaubt es einem Mitgliedstaat nicht, die Ausgaben für bestimmte Kfz nach dem 1.1.1979 (bei neuen Mitgliedstaaten nach dem (späteren) Zeitpunkt des Beitritts zur Union) vom Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn vorher der Vorsteuerabzug nach ständiger Verwaltungspraxis gewährt wurde. Art. 177 Unterabs. 1 MwStSystRL erlaubt es einem Mitgliedstaat nicht, ohne vorherige Konsultation des MwSt-Ausschusses Gegenstände vom Vorsteuerabzug auszuschließen. Das gilt ebenso für Maßnahmen zum Vorsteuerausschluss, die keine Angaben zu ihrer zeitlichen Begrenzung enthalten und/oder zu einem Paket von Strukturanpassungsmaßnahmen gehören, mit denen bezweckt wird, das Haushaltsdefizit zu verringern und eine Rückzahlung der Staatsschulden zu ermöglichen.[10] Die Möglichkeit, dass sich eine Verschärfung des Vorsteuerabzugsrechts im Einzelfall ergeben kann, ist alleine nicht als mit Art. 176 MwStSystRL unvereinbar anzusehen, wenn die Änderung des Vorsteuerausschlusses im Vergleich mit der früheren Regelung für die Unternehmer im Allgemeinen günstig ist.[11]

 

Rz. 306

Eine Regelung, wonach in einem anderen Mitgliedstaat getätigte Ausgaben, für die dort eine Vorsteuervergütung gewährt wird, die jedoch im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers einem Vorsteuerausschluss unterliegen, im Ansässigkeitsstaat einer Besteuerung als unentgeltliche Wertabgabe unterliegen (um so eine Gleichbehandlung mit vom Vorsteuerausschluss behafteten Ausgaben im Ansässigkeitsstaat zu erreichen), ist unzulässig.[12] Art. 176 MwStSystRL erlaubt es nicht, dass ein Mitgliedstaat einen Vorsteue...

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