Rz. 58

Die für die Erlangung der Steuerbefreiung erforderliche Zweckbestimmung der Wasserfahrzeuge, die gem. § 8 Abs. 3 UStG nachgewiesen werden muss, bezieht sich nicht nur auf die befahrenen Wasserwege (Rz. 32ff.), sondern auch auf die Einsatzart der Seeschiffe. Von § 8 Abs. 1 UStG ist neben der Rettung Schiffbrüchiger (Rz. 66ff.) ausschließlich die Erwerbsseeschifffahrt begünstigt.

§ 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG hebt nach seinem Wortlaut nicht – wie z. B. § 15 Abs. 2 UStG – auf die tatsächliche Verwendung der Wasserfahrzeuge, sondern auf die auf den Erwerb durch die Seeschifffahrt bezogene Zweckbestimmung bzw. Verwendungsabsicht ab. Wasserfahrzeuge müssen daher zunächst die objektive Eignung zum Erwerb durch die Seeschifffahrt besitzen. Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 4 i. V. m. § 8 Abs. 1 UStG ist daher von vornherein ausgeschlossen, wenn Leistungen für Seeschiffe erbracht werden, die objektiv zum Erwerb durch die Seeschifffahrt nicht geeignet sind, z. B. durch ihre Bauart.[1]

 

Rz. 59

In der Regel können als begünstigte Seeschiffe für die Erwerbsseeschifffahrt folgende Schiffstypen angesehen werden[2]: Kauffahrteischiffe, Fahrgastschiffe, Frachtschiffe, kombinierte Fracht- und Fahrgastschiffe, Kühlschiffe, Tankschiffe, Fischereifahrzeuge, Fabrikschiffe (z. B. Walfangmutterschiffe), Seefähren. Ein Erwerb durch die Seeschifffahrt liegt in erster Linie vor, wenn ein Schiff Personen oder Güter entgeltlich über See befördert oder seiner Bestimmung gemäß Schlepper- oder Bugsierdienste leistet (unmittelbarer Erwerb), aber auch, wenn der Erwerb erst durch die Seeschifffahrt ermöglicht wird (mittelbarer Erwerb), z. B. Hochseefischerei, Walfang, Bergung und Hilfeleistung in Seenot, gewerblicher Lotsendienst auf See.[3]

 

Rz. 60

Erwerb durch die Seeschifffahrt liegt in Anlehnung an das Handels- und Seerecht nicht nur vor bei entgeltlicher Seebeförderung von Personen und Gütern, sondern bei jedem anderen Erwerb mittels eines Seeschiffs,[4] z. B. bei gewerblicher Ausübung der Hochseefischerei oder eines Seeschifffahrtshilfsgewerbes (z. B. Schlepp-, Bugsier-, Lotsen- und Bergungsdienst). Die Beförderung eigener Waren in eigenen Schiffen (z. B. der Öltransport durch raffinerieeigene Tanker) gehört m. E. zum Erwerb durch die Seeschifffahrt.

 

Rz. 61

Der BFH[5] hat Seebestattungsunternehmen nicht als begünstigte Leistungsempfänger i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG angesehen, weil er die Beförderung der Urne und ggf. Trauergäste als unselbstständige Nebenleistung der Bestattung beurteilt hat. Diese Auslegung trifft gerade bei der Seebestattung an ihre Grenzen, bei der die reine Beförderungsleistung sowohl an Umfang als auch an Kosten überwiegt und sich die Bestattungsförmlichkeiten auf das Versenken der Urne reduzieren können. Insofern könnte die richtlinienkonforme Auslegung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu einer Steuerbefreiung im Rahmen der gewerblichen Zwecke auf hoher See führen (Art. 148 Buchst. a MwStSystRL), zumal die zolltariflichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dagegen scheiden für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 2 i. V. m. § 8 Abs. 1 UStG 1980 Leistungen für Wasserfahrzeuge, die nicht im Rahmen eines Unternehmens, sondern zu privaten oder hoheitlichen Zwecken eingesetzt werden, aus (Abschn. 8.1 Abs. 1 UStAE). So dienen Lotsenfahrzeuge, die von Körperschaften des öffentlichen Rechts in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit eingesetzt werden, keinem Erwerbszweck. Dies kann auch der Fall sein, wenn der Bund oder ein Land oder auch eine Lotsenbrüderschaft Seelotseneinrichtungen selbst betreiben. Nur für Lotsenvereine als Unternehmer kann die Steuerfreiheit des § 8 Abs. 1 UStG in Betracht kommen. Auch Vermessungs-, Wetterbeobachtungs-, Forschungs- und Schulschiffe werden regelmäßig nur für hoheitliche Zwecke eingesetzt. Die OFD Hannover hat diese Auffassung speziell für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Forschungsschiffen bestätigt. Danach sei der Begriff "Erwerb durch die Seeschifffahrt" im Umsatzsteuerrecht nicht definiert und habe seinen Ursprung im Seehandelsrecht. Zu den begünstigten Schiffen gehörten insbesondere Seeschiffe der Handelsschifffahrt, seegehende Fahrgast- und Fährschiffe, Fischereifahrzeuge und Schiffe des Seeschifffahrtshilfsgewerbes. Forschungsschiffe könnten wegen ihres mit den Schiffen verbundenen Zwecks, der in der Forschung selbst und nicht in der Beförderung des Forschungspersonals liegt, nicht dazugehören. Sofern in Einzelfällen ausnahmsweise eine entgeltliche Personenbeförderung stattfinden sollte, führe dies nicht zur Gewährung der Steuerbefreiung für die Eingangsumsätze, da hierdurch die Schiffe nicht ausschließlich oder überwiegend der Erwerbsschifffahrt dienen.[6]

Nicht begünstigt sind die durch ihre Besitzer privatgenutzten Sport- und Vergnügungs-Hochseeyachten. Der BFH[7] lässt es zwar offen, ob eine Yacht ein Wasserfahrzeug für die Seeschifffahrt nach dem Zolltarif ist, schließt aber Sportboote, Wassersportfahrzeuge, Hochseemotorboote, Hochseesegelyachten u. Ä. von der begünstigten ...

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