Rz. 49

Für die Gewährung der Steuerbefreiung reicht es nicht aus, dass ein Wasserfahrzeug allein die objektive Eignung für die Seeschifffahrt besitzt. Denn Wasserfahrzeuge, die unter Pos. 8901, 8902 00, 8904 00 und der Unterpos. 8903 92 10 und 8906 90 10 KN fallen, sind nur dann Gegenstände einer steuerfreien Leistung, wenn sie für die Seeschifffahrt bestimmt sind. Die begünstigten Wasserfahrzeuge müssen daher tatsächlich in der Seeschifffahrt, d. h. auf hoher See, eingesetzt werden. Diese Zweckbestimmung muss bereits im Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung, für die die Steuerbefreiung beansprucht wird, vorliegen. Dies gilt sowohl bei Schiffsneubauten als auch bei Leistungen, die durch Zwischen- und Subunternehmer erbracht werden.

 

Rz. 49a

Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 2 i. V. m. § 8 Abs. 1 UStG gilt dem Wortlaut von Art. 148 Buchst. a MwStSystRL nach für Schiffe, die auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr eingesetzt werden. Diese Einschränkung des Einsatzes auf hoher See ist aber auch auf die anderen Einsatzarten, nämlich der Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei zu übertragen. Die Aufführung der Küstenfischerei wäre überflüssig, wenn der Einsatzort "hohe See" nicht auch für die übrigen Einsatzarten gelten würde.[1] Der EuGH[2] hat diese Auffassung wieder bestätigt. Danach habe die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/112/EG des Rates v. 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, insbesondere aus deren Art. 148 Buchst. a, c und d, verstoßen, dass sie die Mehrwertsteuerbefreiung der von Art. 262 Ziff. II Nrn. 2, 3, 6 und 7 des Code general des impots erfassten Umsätze bei Schiffen, die im entgeltlichen Passagierverkehr oder zur Ausübung einer Handelstätigkeit eingesetzt werden, nicht vom Erfordernis eines Einsatzes auf hoher See abhängig macht.

 

Rz. 49b

Demzufolge gilt nach einstimmiger Auffassung des Mehrwertsteuer-Ausschusses die zur Anwendung der Steuerbefreiungen nach Art. 148 Buchst. a, c und d MwStSystRL zu erfüllende Voraussetzung, dass das Schiff "auf hoher See" eingesetzt wird, sowohl für Schiffe, die entgeltlich Passagiere befördern, als auch für Schiffe, die zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt werden, nicht aber für Bergungs- oder Rettungsschiffe auf See oder für Schiffe zur Küstenfischerei.[3]

 

Rz. 50

Der Begriff der Erwerbsseeschifffahrt ist im Umsatzsteuerrecht nicht definiert. Allerdings hat sich die Verwaltung dazu geäußert.[4]

 

Rz. 51

Als Erwerbsseeschifffahrt ist danach die Schifffahrt seewärts des Küstenmeers i. S. d. Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen und die Küstenfischerei (Rz. 102) anzusehen. Zur seewärtigen Abgrenzung veröffentlicht jeder Küstenstaat Seekarten oder Verzeichnisse geografischer Koordinaten.[5]

 

Rz. 52

Die seewärtige Begrenzung des Küstenmeers der BRD verläuft im Wesentlichen in einem Abstand von 12 Seemeilen, gemessen von der Niedrigwasserlinie und den geraden Basislinien und ergibt sich aus den Seegrenzkarten 2920 und 2921 (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie).[6]

Rz. 53 – 54 einstweilen frei

 

Rz. 55

Die für die Steuerbefreiung maßgebende Grenze (Rz. 51) weicht also von derjenigen zwischen umsatzsteuerrechtlichem In- und Ausland i. S. d. § 1 Abs. 2 UStG ab, mit der Folge, dass der Einsatz eines Schiffes, z. B. Fährschiffes, im umsatzsteuerrechtlichen Ausland innerhalb der Küstenmeere nicht zur (Erwerbs-)Seeschifffahrt gehört.

 

Rz. 56

Befährt ein für die Seeschifffahrt geeignetes Wasserfahrzeug Gebiete innerhalb und außerhalb des Küstenmeers, dient es m. E. nur dann der Erwerbsseeschifffahrt, wenn sich dessen Fahrtstrecke überwiegend außerhalb des Küstenmeers befindet.

 

Rz. 57

Die nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG geforderte Zweckbestimmung der Wasserfahrzeuge für die Seeschifffahrt deckt sich mit den entsprechenden Bestimmungen des Art. 148 MwStSystRL.

[2] EuGH v. 21.3.2013, C-197/12, DB 2013, 2009.
[3] MwSt-Ausschuss, Leitlinien aus der 103. Sitzung v. 20.4.2015, Dokument A – taxud.c.1(2015)3366194 – 868, UR 2016, 185.
[5] Art. 16 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, Bekanntmachung der Proklamation der Bundesregierung über die Ausweitung des deutschen Küstenmeers vom 11.11.1994, BGBl I 1994, 3428, Abschn. 8.1 Abs. 2 S. 7 UStAE; Abschn. 8.1 Abs. 2 S. 6 UStAE; Gesetz v. 10.12.1982, BGBl I 1994, 1798.

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