1 Allgemeines

 

Rz. 1

Lieferungen von Gegenständen in andere EU-Mitgliedstaaten sind im Ausgangsmitgliedstaat grundsätzlich als innergemeinschaftliche Lieferungen i. S. v. § 6a UStG umsatzsteuerfrei (§ 4 Abs. 1b UStG) und unterliegen im Bestimmungsmitgliedstaat der Umsatzbesteuerung als innergemeinschaftlicher Erwerb.[1] Der Steuerbefreiungstatbestand der innergemeinschaftlichen Lieferung[2] ist seit 1.1.1993 für Lieferungen in andere EU-Mitgliedstaaten an die Stelle der bisher hierfür geltenden Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen getreten. Der Begriff "Ausfuhrlieferung" bezieht sich nur noch auf Lieferungen in das Drittlandsgebiet.[3]

 

Rz. 2

Die USt wird international nach dem Bestimmungslandprinzip erhoben, d. h., ein Gegenstand wird grundsätzlich mit der USt des Bestimmungslands belastet, also des Lands, in das der Gegenstand eingeführt wird. Aus diesem Grund wird bei der Ausfuhr der Gegenstand von der USt des Ausfuhrlands entlastet und bei der Einfuhr eines Gegenstands die USt des Bestimmungslands erhoben. Durch diese umsatzsteuerliche Be- und Entlastung wird erreicht, dass ein Gegenstand ohne Rücksicht auf ihre Herkunft allein mit der jeweiligen inländischen USt belastet ist; damit werden umsatzsteuerliche Wettbewerbsnachteile im grenzüberschreitenden Warenverkehr vermieden. Dieses Ziel verfolgen die im GATT-Abkommen (Art. III) und im Vertrag über die Arbeitsweise der EU[4] verankerten Diskriminierungsverbote, die eine Benachteiligung ausländischer Gegenstände gegenüber inländischen Gegenständen durch den umsatzsteuerlichen Grenzausgleich untersagen.

 

Rz. 3

Seit Inkrafttreten des Binnenmarkts zum 1.1.1993 sind die Umsatzsteuergrenzen in der Union ebenso wie die zollamtlichen Kontrollen der innergemeinschaftlichen Grenzen weggefallen. Die Zollstellen wirken nicht mehr im Rahmen des umsatzsteuerlichen Ausgleichs an den innergemeinschaftlichen Grenzen mit. Sie bescheinigen nicht mehr, dass Gegenstände aus einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-Mitgliedstaat gelangen. An die Stelle der EUSt ist im innergemeinschaftlichen Warenverkehr die USt auf den innergemeinschaftlichen Erwerb getreten.

[4] AEUV Art. 110; bisher EG-Vertrag Art. 90.

2 Rechtsentwicklung

2.1 Unionsrecht

 

Rz. 4

Das in der 1. und 6. EG-Richtlinie ebenso wie in der MwStSystRL vorgesehene Ziel des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems sieht die Besteuerung des Handelsverkehrs zwischen Mitgliedstaaten nach dem Prinzip der Besteuerung der gelieferten Gegenstände im Ursprungsmitgliedstaat vor, ohne dass dadurch der Grundsatz angetastet wird, dass die Einnahmen aus der USt auf der Stufe des Endverbrauchs dem Mitgliedstaat zustehen, in dem der Endverbrauch erfolgt. Mit der Schaffung des Binnenmarkts ist es nicht gelungen, den von deutscher Seite unterstützten Vorschlag der EU-Kommission durchzusetzen, der ursprünglich den vollkommenen Wegfall des Bestimmungslandprinzips vorgesehen hatte. Dieses Prinzip ist im innergemeinschaftlichen kommerziellen Warenverkehr für die USt (ebenso wie für die Sonderverbrauchsteuern) beibehalten worden. Lediglich beim innergemeinschaftlichen Erwerb durch Privatpersonen, z. B. im nichtkommerziellen Reiseverkehr, erfolgt seit dem 1.1.1993 grundsätzlich kein Steuerausgleich mehr (Rz. 160ff.).

 

Rz. 4a

Die maßgebende Auslegung des Unionsrechts erfolgt durch den EuGH. Seine Rechtsprechung bindet sämtliche Organe der EU-Mitgliedstaaten, die verpflichtet sind, das Unionsrecht in seiner Ausprägung, die es durch die Rechtsprechung des EuGH erfahren hat, zu befolgen, ohne dass es einer weiteren Umsetzung in nationales Recht bedarf. So hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferungen zu versagen ist, wenn sich der Unternehmer an betrügerischen Machenschaften wissentlich beteiligt hat.[1] Eine unionsrechtliche Regelung zu dieser Rechtsprechung besteht nicht. Gleichwohl hat der deutsche Gesetzgeber aus Gründen der einheitlichen und praxisgerechten Rechtsanwendung diese verbindliche Rechtsprechung des EuGH mit § 25f UStG in nationales Recht umgesetzt.[2]

 

Rz. 5

Mit dem Erlass der sog. Binnenmarkt-Richtlinie 91/680/EWG v. 16.12.1991[3] hat der Rat der EU dem Umstand Rechnung getragen, dass für eine begrenzte Übergangszeit ein umsatzsteuerlicher Ausgleich im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ohne Steuergrenzen und Zollkontrollen durch Steuerbefreiung der Lieferung und Besteuerung des Erwerbs erfolgt. Diese Art der Umsatzbesteuerung erfordert ein Kontrollsystem und besondere Regelungen, die Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten verhindern. Gleichzeitig sollen die Vorschriften den bevorstehenden Wechsel auf das endgültige System der Binnenmarktbesteuerung erleichtern.

 

Rz. 6

Zur Vermeidung von Steuerausfällen für die Mitgliedstaaten hat der Rat der EU die VO Nr. 1798/2003 v. 7.10.2003, neu gefasst durch VO Nr. 904/2010 v. 7.10.2010 mWv 1.1.2012[4] über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekäm...

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