Rz. 188

Die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i. S. v. § 6a Abs. 1 und 2 UStG müssen nachgewiesen werden.[1] Dieser Nachweis wird durch den Beleg- und Buchnachweis geführt, die aufgrund der Ermächtigung in § 6a Abs. 3 S. 2 UStG in §§ 17a bis 17d UStDV geregelt sind. Dass der Gesetzgeber diese Regelung dem Verordnungsgeber überlassen hat, ist nicht zu beanstanden; insbesondere kann darin kein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG gesehen werden.[2]

 

Rz. 189

Dem Nachweis kommt bei innergemeinschaftlichen Lieferungen besondere Bedeutung zu, weil – im Gegensatz zu Ausfuhrlieferungen nach § 6 UStG – in den Liefervorgang keine Grenzzollstelle mehr eingeschaltet ist, die das Verbringen ins übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigen könnte, ausgenommen Versendungen im Unionsversandverfahren und von verbrauchsteuerpflichtigen Waren (Rz. 266 und 267ff.). Der belegmäßige Nachweis beschränkt sich daher auf Handelsbelege, aus denen sich die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung, insbesondere das Verbringen ins übrige Gemeinschaftsgebiet, ergeben müssen. Das System, ohne Zollkontrolle an den Binnengrenzen den Nachweis der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zu führen, ist missbrauchsanfällig und verschafft unredlichen Beteiligten gegenüber der Finanzverwaltung einen zeitlichen Vorsprung. Bedeutende Steuerausfälle haben daher dazu geführt, dass die Verwaltung an den Beleg- und Buchnachweis hinsichtlich der Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung strenge Anforderungen stellt und es nicht beim Nachweis des Verbringens ins übrige Gemeinschaftsgebiet belässt, sondern sich das Gelangen im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigen lässt.

 

Rz. 190

Im Gegensatz zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung in § 4 Nr. 1b und § 6a Abs. 1 und 2 UStG handelt es sich bei den Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG um formelle Nachweispflichten. Den Mitgliedstaaten ist aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität in der Steuererhebung weitgehend die Normierung der Nachweispflichten überlassen, jedoch nicht eine materiell-rechtliche Beschränkung der Steuerbefreiung durch die Ausgestaltung der Nachweisvorschriften.[3] Da – so der EuGH – unbestreitbar eine innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt worden sei, erfordere der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass die Mehrwertsteuerbefreiung zu gewähren sei, wenn die materiellen Anforderungen hierfür erfüllt seien, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt habe. Anders verhielte es sich nur, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindern würde, dass die materiellen Anforderungen erfüllt würden. Änderungen bei der Einordnung einer innergemeinschaftlichen Lieferung, die nach der Durchführung dieses Umsatzes vorgenommen würden, müssten in der Buchführung des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden können. Derartige Korrekturen könnten sich im Einzelfall aufgrund von Umständen, die der Steuerpflichtige nicht zu vertreten habe, als notwendig erweisen. Demnach sei der innergemeinschaftliche Charakter einer Lieferung im Fall einer nachträglichen Korrektur der Buchführung anzuerkennen, sofern die objektiven Kriterien erfüllt seien, die den Begriffen zugrunde lägen, die diesen Umsatz definierten. Der EuGH unterscheidet damit zwischen den materiellen Anforderungen der Steuerbefreiung, wie sie in § 6a Abs. 1 bis 2 UStG bestimmt sind, und den formellen Nachweispflichten.[4] Mit seiner Entscheidung überlässt der EuGH den Mitgliedstaaten aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität in der Steuererhebung die Normierung der Nachweispflichten, gestattet jedoch nicht die materiell-rechtliche Beschränkung der Steuerbefreiung durch die Ausgestaltung der Nachweisvorschriften.

 

Rz. 191

In § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV wird bestimmt, wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat. Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbracht hat.[5] Eine Steuerbefreiung aufgrund Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 S. 1 UStG kommt demgegenüber nicht in Betracht.[6] Damit hat der Unternehmer die Möglichkeit, den Nachweis, den er nicht nach §§ 17a ff. UStDV führen kann, auf andere Weise zu erbringen.[7] Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG aber dazu, die Identität des Abnehmers der innergemeinschaftlichen Lieferung zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unte...

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