Rz. 160

Die Versandhandelsregelung ist durch das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz eingeführt worden. Sie betrifft Warenlieferungen, bei denen durch den liefernden Unternehmer der Gegenstand der Lieferung aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet an Abnehmer befördert oder versendet wird, die der Erwerbsbesteuerung nicht unterliegen. Da im EU-Binnenmarkt grundsätzlich der Warenbezug von privaten Personen über Binnengrenzen nach dem Ursprungslandprinzip versteuert wird, wird dieser wie eine inländische Lieferung behandelt. Es liegen weder eine innergemeinschaftliche Lieferung noch ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor; es entfallen daher eine Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland und im Ursprungsland eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1b UStG.[1]

 

Rz. 161

Um Steuerausfällen durch die Ausweitung des Versandhandels vorzubeugen, wird dieser ab einer bestimmten Umsatzhöhe im Bestimmungsland besteuert und gleichzeitig die Besteuerung im Ursprungsland ausgeschlossen. Das Ergebnis wird durch § 3c UStG erreicht, der den Lieferort ins Bestimmungsland verlagert.[2] Diese Regelung beinhaltet eine erhebliche Vereinfachung gegenüber der übrigen Besteuerung des Binnenmarkthandels, weil im Ursprungsland auf eine steuerbare Lieferung mit anschließender Steuerbefreiung verzichtet wird. Die Versandhandelsregelung ist nicht auf sog. Versandhäuser beschränkt, sondern betrifft jede Warenlieferung, bei der ein Unternehmer Gegenstände an den o. a. Abnehmerkreis in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet.

 

Rz. 162

Die Sonderregelung ist an bestimmte Umsatzhöhen geknüpft, nämlich an Liefer- und Erwerbsschwellen. Diese Schwellen sind von den Mitgliedstaaten festgelegte Gesamtbeträge der Entgelte, die den Lieferungen eines Unternehmers bzw. an einen Schwellenerwerber in einem Kj. zuzurechnen sind. Die Berechnung der Schwelle erfolgt durch Addierung der Entgelte ohne USt.[3] Die nicht amtlich von der EU-Kommission veröffentlichten Erwerbs- und Lieferschwellen der einzelnen Mitgliedstaaten sind in Abschn. 3c.1 Abs. 2 und 3 UStAE enthalten. Maßgebend sind die Liefer- und Erwerbsschwellen des Mitgliedstaats, in dem die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands endet.[4] Auf die Anwendung der Sonderregelung können Lieferanten und Schwellenerwerber verzichten. Die Verzichtserklärung ist bei dem zuständigen FA abzugeben (das ist für die Lieferschwelle das FA des Ursprungslands und für die Erwerbsschwelle das FA des Bestimmungslands) und kann auf bestimmte Mitgliedstaaten beschränkt werden.

 

Rz. 163

Erreicht der Lieferer nicht die Lieferschwelle im Bestimmungsland und hat er nicht zur Besteuerung im Bestimmungsland optiert[5], unterliegt die Lieferung an private Abnehmer in anderen Mitgliedstaaten ausschließlich der inländischen Umsatzbesteuerung im Ursprungsland.[6] Bei den privaten Abnehmern handelt es sich um natürliche Personen, die den Gegenstand der Lieferung nicht für unternehmerische Zwecke erwerben.[7] Die Lieferung wird wie eine inländische Lieferung behandelt. Eine Verlagerung des Lieferorts nach § 3c Abs. 1 UStG in den anderen Mitgliedstaat tritt nicht ein; der Lieferort liegt nach den allgemeinen Regeln der § 3 Abs. 6 bis 8 UStG im Inland. Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt nicht vor, weil der Abnehmer eine private Person ist und der Gegenstand nicht der Erwerbsbesteuerung unterliegt.[8]

 

Rz. 164

Das Gleiche gilt, wenn der Lieferer unter der Lieferschwelle im Bestimmungsland bleibt, nicht zur Besteuerung im Bestimmungsland optiert und den Gegenstand an einen sog. Schwellenerwerber befördert oder versendet, der seinerseits weder die Erwerbsschwelle erreicht noch zur Erwerbsbesteuerung optiert hat. Maßgebend ist die Erwerbsschwelle im Bestimmungsland. Schwellenerwerber sind die in § 3c Abs. 2 Nr. 2a bis d UStG aufgeführten Personen, nämlich

  • Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze ausführen,
  • Kleinunternehmer,
  • pauschalierende Landwirte und
  • juristische Personen, die sich nicht unternehmerisch betätigen.
 

Rz. 165

Überschreitet der liefernde Unternehmer die Lieferschwelle des Bestimmungslands oder hat er für die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland optiert, gilt nach § 3c Abs. 1 UStG die Lieferung dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet, d. h., sie ist nur im Bestimmungsland steuerbar. Eine innergemeinschaftliche Lieferung i. S. v. § 4 Nr. 1b UStG liegt nicht vor, weil die Lieferung im Inland nicht steuerbar ist.

 

Rz. 166

Überschreitet der Schwellenerwerber die Erwerbsschwelle oder optiert er zur Erwerbsbesteuerung, tritt keine Verlagerung des Lieferorts gem. § 3c Abs. 1 UStG ein. Das bedeutet, dass der Lieferort gem. § 3 Abs. 6 bis 8 UStG im Inland liegt und eine innergemeinschaftliche Lieferung gegeben ist, die bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 6a UStG steuerfrei bleibt. Im Bestimmungsland unterliegt die Lieferung der Erwerbsbesteuerung seitens des Schwellenerwerbers. Damit treten bei den Schwellenerwerbern die gleichen Rechtsfolgen ein, die einen Unternehmer als Abnehmer der inner...

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