Rz. 119

Das Verbringen von Gegenständen des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, z. B. zu einer Betriebsstätte in einem anderen EU-Mitgliedstaat, gilt gem. § 3 Abs. 1a UStG als Lieferung gegen Entgelt und gem. § 6a Abs. 2 UStG als innergemeinschaftliche Lieferung. Das unternehmerische Verbringen ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei[1] und unterliegt im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung.[2] Die Vorschriften der § 6a Abs. 2 und § 1a Abs. 2 UStG sollen eine Verlagerung von Unternehmensgegenständen in einen Mitgliedstaat mit günstigeren Steuersätzen und Vorsteuerabzugsmöglichkeiten sowie eine doppelte Belastung mit USt in zwei Mitgliedstaaten verhindern. Diese Folgen könnten eintreten, wenn Vorsteuern im Abgangs- oder Ankunftsstaat nicht oder nicht voll abziehbar sind. Die Steuerbefreiung kann aber auch wichtig sein für Unternehmer in Ländern, in denen der Vorsteuerabzug nicht sofort gewährt wird.[3]

 

Rz. 120

Nach den Vorstellungen der Mehrheit der EU-Ratsmitglieder ist die umsatzsteuerliche Erfassung der Warenbewegungen über die Binnengrenzen unerlässlich, obgleich sie zu einem für den Unternehmer und die Finanzverwaltungen unverhältnismäßigen Mehraufwand führt. Die Regelung soll sicherstellen, dass die mit dem Wegfall der Grenzkontrollen und der Einfuhrumsatzsteuer innerhalb der Union nicht mehr erfassbaren unternehmensinternen Warenbewegungen der Besteuerung im Bestimmungsland nicht entzogen werden.[4] Die mit der Besteuerung verbundenen Aufzeichnungs- und Meldepflichten ermöglichen den Finanzverwaltungen die lückenlose Überprüfung der unternehmerischen Warenbewegungen über die innergemeinschaftlichen Grenzen.[5] Die deutsche Regelung entspricht Art. 138 Abs. 3c MwStSystRL.

 

Rz. 121

Die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung sind gem. § 6a Abs. 2 UStG erfüllt, wenn

  1. ein Gegenstand des Unternehmens
  2. aus dem Inland zur Verfügung des Unternehmers in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht wird,
  3. das Verbringen im Bestimmungsland der Erwerbsbesteuerung unterliegt,

    das Verbringen in der Zusammenfassenden Meldung gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG zutreffend erklärt wird und

  4. durch den Unternehmer anschließend nicht nur vorübergehend verwendet wird.

Der Gegenstand des Verbringens muss daher bereits zu Beginn der Beförderung oder Versendung dem Unternehmen zugeordnet sein und im Verbringungsland weiterhin unternehmerisch (nicht nur vorübergehend, Rz. 125ff.) verwendet werden sowie in der Verfügungsmacht des Unternehmers verbleiben.[6]

 

Rz. 122

Von der Steuerbefreiung des unternehmerischen Verbringens sind wie auch für die innergemeinschaftliche Lieferung gem. § 6a Abs. 1 UStG nur körperliche Gegenstände (Rz. 42ff.). Die Gegenstände müssen vor ihrem Verbringen bereits dem Unternehmen im Inland zugeordnet gewesen sein.

 

Rz. 123

Die Bewegung von Gegenständen innerhalb eines Unternehmens ist grundsätzlich ein umsatzsteuerlich unbeachtlicher Vorgang. Es handelt sich um nicht steuerbare Warenbewegungen. Dies gilt auch für Warenbewegungen innerhalb eines Unternehmens über Staatsgrenzen hinweg, soweit es die Ausfuhrseite betrifft; denn dem unternehmensinternen Verbringen liegt keine Lieferung i. S. v. § 3 Abs. 1 UStG zugrunde. Dagegen liegt auf der Einfuhrseite grundsätzlich ein umsatzsteuerbarer Tatbestand vor.[7] Um diese Warenbewegung im innergemeinschaftlichen Warenverkehr umsatzsteuerlich kontrollierbar zu erfassen, wird sie gem. § 3 Abs. 1a Nr. 1 UStG auch auf der Ausfuhrseite als entgeltliche Lieferung behandelt, die nach § 3 Abs. 6 UStG im Inland steuerbar ist. Der Vorgang des Verbringens kann eine Beförderung oder ein Versenden zur eigenen Verfügung sein. Der Unternehmer braucht den Gegenstand nicht selbst zu befördern; er kann die Beförderung durch einen selbstständigen Beauftragten (z. B. Spedition) ausführen oder besorgen lassen. Der Unternehmer muss jedoch während des gesamten Vorgangs des Verbringens die Verfügungsmacht über den Gegenstand innehaben. Der inländische Unternehmer gilt nach dieser Regelung als Lieferer und im Bestimmungsmitgliedstaat als Erwerber. Er muss sich daher auch im Bestimmungsmitgliedstaat steuerlich erfassen und eine USt-IdNr. zuteilen lassen.

 

Rz. 124

Der Unternehmer, der einen Gegenstand zu seiner Verfügung in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbringt, wird i. d. R. dort eine Betriebsstätte unterhalten, z. B. Zweigniederlassung, Geschäftsstelle, Fabrikationsstätte, Ladenlokal, Auslieferungslager, Verkaufslager, Ersatzteillager. Für die Annahme eines Verbringungsfalls im anderen Mitgliedstaat ist aber nicht Voraussetzung, dass der Unternehmer im anderen Mitgliedstaat eine Betriebsstätte i. S. v. § 12 AO unterhält. Es genügt vielmehr, dass er die Waren zu seiner Verfügung hält in der Absicht, dass er sie im übrigen Gemeinschaftsgebiet nicht nur vorübergehend verwendet. Warenbewegungen zwischen den Unternehmensteilen bei einer grenzüberschreitenden Organschaft sind nicht als ...

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