Rz. 74

Nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung nur vor, wenn entweder der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat, die Beförderung oder Versendung im Inland beginnt und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats endet. Der Liefergegenstand muss das Inland physisch verlassen haben und tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt sein, d. h. dort physisch angelangt sein. Da seit 1.1.1993 eine Grenzabfertigung an den Binnengrenzen nicht mehr stattfindet, kann der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht mehr durch eine Bestätigung der Zollstelle geführt werden. An die Stelle der zollamtlichen Bescheinigung sind nunmehr andere Nachweise des innergemeinschaftlichen Verbringens getreten (§§ 17a ff. UStDV; Rz. 220ff.).

 

Rz. 75

Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands (§ 3 Abs. 6 S. 2 UStG). Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung eines Gegenstands durch einen selbstständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt, z. B. Spediteur (§ 3 Abs. 6 S. 3 UStG). Eine Versendung ist anzunehmen, wenn der Gegenstand der innergemeinschaftlichen Lieferung im maßgeblichen Zeitpunkt des Verlassens des Inlands nicht durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert, sondern durch Einschaltung selbstständiger Dritter versendet wird.[1]

 

Rz. 76

Im Gegensatz zu Ausfuhrlieferungen gem. § 6 UStG kommt es für die Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 1 UStG nicht darauf an, wie und durch welche Person, sei es Lieferant, Abnehmer oder Beauftragter, der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Die unterschiedlichen Beförderungsarten erfordern jedoch jeweils besondere Nachweismittel für die Erlangung der Steuerbefreiung (§ 6a Abs. 3 i. V. m. §§ 17a ff. UStDV; Rz. 233ff.).

 

Rz. 77

Die Steuerbefreiung nach § 6a UStG wird nur gewährt, wenn der Gegenstand der innergemeinschaftlichen Lieferung auch tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist.[2] Die innergemeinschaftliche Lieferung setzt voraus, dass der Liefergegenstand über eine innergemeinschaftliche Grenze verbracht wird. Diese Voraussetzung der Steuerbefreiung hat insbesondere Bedeutung für Reihengeschäfte. Schließen Unternehmer aus mehreren Mitgliedstaaten ein Reihengeschäft ab und wird der Gegenstand der Lieferung nur innerhalb eines Mitgliedstaats bewegt, liegt keine innergemeinschaftliche Lieferung vor.[3] Hat der Empfänger im Bestimmungsland in seiner Umsatzsteuererklärung den Erwerb des Gegenstands als innergemeinschaftlichen Erwerb erklärt, stellt dies nur ein zusätzliches Indiz, aber keinen maßgebenden Anhaltspunkt dar, dass der Liefergegenstand das Inland tatsächlich verlassen hat.[4]

Eine gebrochene Beförderung oder Versendung liegt vor, wenn diese durch mehrere Beteiligte (Lieferer und Abnehmer bzw. in deren Auftrag jeweils von einem Dritten) durchgeführt wird. Bei gebrochenen Transporten, d. h. der Unternehmer und der Abnehmer sind beide für den Transport verantwortlich und führen diesen jeweils für eine Teilstrecke aus, liegt insgesamt eine innergemeinschaftliche Lieferung vor.[5] Für die Annahme einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ist es unschädlich, wenn der Abnehmer zu Beginn des Transports feststeht und der Transport ohne nennenswerte Unterbrechung erfolgt. Es ist Sache des liefernden Unternehmers nachzuweisen, dass ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Lieferung des Gegenstands und seiner Beförderung oder Versendung dieses Vorgangs gegeben sind (Abschn. 6a.1 Abs. 8 Sätze 3 und 4 UStAE).

 

Rz. 78

Bei Lieferung von Bunkeröl und Schmierstoffen an ausländische Binnenschiffer wird die Steuerbefreiung gewährt, wenn diese Gegenstände nicht im Inland verbraucht, sondern in einen anderen EU-Mitgliedstaat verbracht werden. Als Nachweis gilt eine Erklärung des Kapitäns des Schiffs, aus der sich ergibt, dass das Schiff im Zeitpunkt der Bebunkerung noch über genügend alten Treibstoffvorrat für die Fahrt bis zur Grenze verfügt.[6]

 

Rz. 79

Ist der Gegenstand der Lieferung vor Überschreitung der innergemeinschaftlichen Grenze verloren- oder untergegangen, kommt eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1b UStG nicht in Betracht, weil kein Verbringen über die Gemeinschaftsgrenzen vorliegt. Inwieweit bereits eine steuerpflichtige Lieferung im Inland vorliegt, bestimmt sich nach § 3 Abs. 1 UStG, z. B. in Abholfällen. Geht der Gegenstand der Lieferung während seiner Beförderung nach Überschreitung der innergemeinschaftlichen Grenze im übrigen Gemeinschaftsgebiet unter, liegt im Inland keine steuerbare Lieferung vor, wenn eine solche noch nicht bewirkt war.[7] War die Lieferung im Zeitpunkt des Untergangs im übrigen Gemeinschaftsgebiet bereits ausgeführt, unterliegt sie der dortigen Erwerbsbesteuerung, sodass insoweit die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 6a Abs. 1 UStG erfüllt sind. Mit dem vertraglich vereinbarten Gefahrübergang (für Untergang, Beschädigung), z. B. mi...

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