Rz. 1

Mit der Einführung des EG-Binnenmarkts zum 1.1.1993 war die Einfuhr von Waren zwischen den EU-Mitgliedstaaten und damit der Einfuhrtatbestand für diese Fälle entfallen. Die Einfuhr war durch den neuen Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs ersetzt worden, der seit dem 1.1.1993 eine Besteuerung im Bestimmungsland sicherstellt. Die allgemeinen Steuerbefreiungen nach den §§ 4 und 5 UStG gelten nicht für den innergemeinschaftlichen Erwerb. Die Befreiungsvorschrift des § 4b UStG war erforderlich, um den innergemeinschaftlichen Erwerb von Waren hinsichtlich der bei der Einfuhr aus dem Drittland und bei Lieferungen im Inland geltenden Steuerbefreiungstatbestände gleichzustellen (so die Steuerbefreiungen nach § 4b Nr. 1 bis 3 UStG). Die Befreiungsvorschrift gewährleistet innerhalb des EU-Binnenmarkts ein System, das frei von umsatzsteuerlich induzierten Wettbewerbsverzerrungen ist. Daneben enthält § 4b Nr. 4 UStG aus Vereinfachungsgründen eine Art Vorstufenbefreiung. § 4b UStG beruht auf Art. 140 MwStSystRL. Die Vorschrift regelt die Fälle, in denen der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen steuerfrei ist. Durch die Regelungen wird der innergemeinschaftliche Erwerb von bestimmten Gegenständen, deren Lieferung im Inland steuerfrei wäre, von der Steuer befreit.[1] Die Vorschrift des § 4b Nr. 3 UStG befreit den innergemeinschaftlichen Erwerb der Gegenstände, deren Einfuhr steuerfrei wäre. Da sich die Steuerbefreiung nach den für die Steuerbefreiung der Einfuhr geltenden Vorschriften richtet, sind insoweit § 5 UStG und die hierzu ergangene EUSt-BefreiungsVO[2] maßgebend. Nach § 4b Nr. 4 UStG ist der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen steuerfrei, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet, für die er zum vollen VStA berechtigt ist.

 

Rz. 2

Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen ist nach § 9 UStG nicht möglich, weil § 4b UStG dort nicht im Katalog der optionsfähigen Steuerbefreiungen enthalten ist. Es wird jedoch von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn ein nach § 4b Nr. 4 UStG steuerfreier innergemeinschaftlicher Erwerb als steuerpflichtig behandelt wird.[3] In diesen Fällen wäre der Vorsteuerabzug auf den innergemeinschaftlichen Erwerb entsprechend möglich.

 

Rz. 3

Hinsichtlich des Vorsteuerabzugs für Gegenstände und sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung eines steuerfreien innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, gilt die Sonderregelung nach § 15 Abs. 2 S. 2 UStG. Diese Gegenstände sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

 
Praxis-Beispiel

Eine deutsche Firma, die Arzneimittelhersteller in Deutschland beliefert, bezieht mit eigenen Fahrzeugen Blutkonserven aus Frankreich. Der innergemeinschaftliche Erwerb ist nach § 4b Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG steuerfrei (grundsätzlich ohne Recht auf Vorsteuerabzug, § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Die Firma verwendet die Blutkonserven nach einer Aufbereitung für eine inländische Lieferung an den Arzneimittelhersteller zur Herstellung von Medikamenten. Diese Lieferung der Blutkonserven ist steuerpflichtig, da sie keinem therapeutischen Ziel dient.[4] Die mit der Beförderung der Blutkonserven durch eigene Kfz zusammenhängenden Vorsteuern sind trotz des steuerfreien innergemeinschaftlichen Erwerbs abziehbar, weil sie nach § 15 Abs. 2 S. 2 UStG steuerpflichtigen Umsätzen (der steuerpflichtigen inländischen Lieferung der Blutkonserven) zuzurechnen sind.

 

Rz. 4

Innergemeinschaftliche Erwerbe (§ 1a Abs. 1 UStG) sind grundsätzlich in dem Mitgliedstaat umsatzsteuerbar, in dem die Beförderung bzw. Versendung des Liefergegenstands endet.[5] Sofern innergemeinschaftliche Erwerbe demnach im Inland (§ 1 Abs. 2 UStG) der USt unterliegen, können sie unter den Voraussetzungen des § 4b UStG von der USt befreit sein. Kommt die Steuerbefreiung nicht zur Anwendung, steht dem Unternehmer, soweit er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, im Voranmeldungszeitraum der Steuerentstehung ein Vorsteuerabzug[6] zu. Verwendet der Unternehmer gegenüber seinem Lieferanten jedoch eine USt-IdNr., die ihm nicht von dem Mitgliedstaat erteilt worden ist, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet, kommt es zu einer doppelten Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs. Der Mitgliedstaat, dessen USt-IdNr. vom Unternehmer verwendet worden ist, hat solange auch ein Besteuerungsrecht, bis die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat des Beförderungs- bzw. Versendungsendes nachgewiesen worden ist (§ 3d S. 2 UStG). Für bis zum 31.12.2011 ausgeführte Erwerbe war es ausreichend, wenn die Besteuerung lediglich glaubhaft gemacht wurde.[7] Ein Abzug der "§ 3d S. 2 UStG – Erwerbsteuer" als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG ist nicht möglich.[8] Aus dem vom EuGH in dem Urteil v. 22.4.2010 aufgestellten Rechtsgrundsatz folgt, dass die Steuerbefreiungen nach § 4b UStG nur auf innergemeinschaftliche Erwerbe nach ...

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