Rz. 144

Erbringt ein Unternehmer im Inland Leistungen an die nach Art. 151 MwStSystRL begünstigten Einrichtungen und Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat (Gastmitgliedstaat) ansässig sind, kennt er regelmäßig nicht die im Gastmitgliedstaat geltenden Voraussetzungen und Beschränkungen, die für eine etwaige Steuerbefreiung seiner Leistungen im Inland maßgebend sind. In diesen Fällen bedarf es eines Bescheinigungsverfahrens, das in Art. 51 VO 282/2011 beschrieben ist. Ist der Leistungsempfänger in der EU, aber nicht in dem Mitgliedstaat des Orts der Leistung ansässig, dient die "Bescheinigung über die Befreiung von der Mehrwertsteuer und/ oder der Verbrauchsteuer" nach dem Muster in Anhang II der VO 282/2011 entsprechend den Erläuterungen im Anhang zu der Bescheinigung als Bestätigung dafür, dass der Umsatz nach Art. 151 MwStSystRL steuerbefreit werden kann. Bei Verwendung der Bescheinigung kann der Mitgliedstaat, in dem die begünstigte Einrichtung ansässig ist, entscheiden, ob er eine gemeinsame Bescheinigung für Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuer oder zwei getrennte Bescheinigungen verwendet.

 

Rz. 145

Die Bescheinigung wird von den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats mit einem Dienststempelabdruck versehen. Sind die Leistungen für amtliche Zwecke bestimmt, können die Mitgliedstaaten bei Vorliegen von ihnen festzulegender Voraussetzungen auf die Anbringung des Dienststempelabdrucks verzichten. In diesen Fällen tritt an die Stelle des Sichtvermerks der Behörde eine Eigenbestätigung der Einrichtung, in der auf die entsprechende Genehmigung (Datum und Aktenzeichen) hinzuweisen ist. Diese Freistellung kann im Falle von Missbrauch widerrufen werden. Die EU-Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, welche Kontaktstelle zur Angabe der für das Abstempeln der Bescheinigung zuständigen Dienststellen benannt wurde und in welchem Umfang sie auf das Abstempeln der Bescheinigung verzichten. Die EU-Kommission gibt diese Information an die anderen Mitgliedstaaten weiter.[1] Zu der entsprechenden Übersicht vgl. Rz. 137.

 

Rz. 146

Der leistende Unternehmer hat die Bescheinigung als Nachweis für die Steuerbefreiung seiner Umsätze in seiner Buchführung aufzubewahren (Art. 51 Abs. 3 VO 282/2011 für den Fall der unmittelbaren Steuerbefreiung). Wird die Steuerentlastung im Wege einer nachträglichen Erstattung gewährt, ist die Bescheinigung dem in dem betreffenden Mitgliedstaat gestellten Erstattungsantrag beizufügen.[2] Der Leistungsempfänger soll den Sichtvermerk (Bestätigung) der zuständigen Behörde nach mehrheitlicher Auffassung im Mehrwertsteuer-Ausschuss grundsätzlich vor der jeweiligen Lieferung oder Dienstleistung, also vor jedem Einkauf oder vor jeder Inanspruchnahme von Dienstleistungen einholen, damit Missbräuche vermieden werden. Dies setzt voraus, dass der Leistungsempfänger bereits über Informationen zum leistenden Unternehmer, die Art der Leistung und die Höhe seiner beabsichtigten Ausgaben verfügt, sodass sog. Spontaneinkäufe, für die eine behördliche Bestätigung nachträglich – nach Bewirken des Umsatzes – erbracht wird, grundsätzlich nicht unter die Steuerbefreiung fallen.

 

Rz. 147

Das Bescheinigungsverfahren ist nicht anzuwenden bei der Lieferung neuer Fahrzeuge, weil insoweit die Bestimmungen über innergemeinschaftliche Lieferungen und über den innergemeinschaftlichen Erwerb gelten. Es findet generell auch dann keine Anwendung, wenn die begünstigte Einrichtung oder Person im Inland ansässig ist und der Leistungsort im Inland liegt, weil das Land, in dem der Umsatz bewirkt wird, und der Gastmitgliedstaat hier identisch sind.

 

Rz. 148

Selbst wenn der leistende Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, gilt in einem solchen Fall das Bescheinigungsverfahren nicht. Dieser Unternehmer unterliegt den im Inland geltenden Besteuerungsregeln genauso wie ein inländischer Unternehmer, der derartige Leistungen erbringt, sodass ein Bescheinigungsverfahren nach Sinn und Zweck des Art. 151 MwStSystRL auch gar nicht erforderlich ist. Im übrigen ist bei der Lieferung von Gegenständen, die vom Ausland ins Inland versendet oder befördert werden, der steuertechnische Weg einer Steuerbefreiung, die durch eine Bescheinigung nachzuweisen wäre, durch Art. 151 Abs. 2 MwStSystRL nicht zwingend vorgeschrieben.

 
Praxis-Beispiel

Ein im Vereinigten Königreich ansässiger Unternehmer liefert Treibstoff (verbrauchsteuerpflichtige Ware) an die in Deutschland stationierten britischen NATO-Streitkräfte, der zum Verbrauch durch die Streitkräfte bestimmt ist, und befördert die Ware nach Deutschland. Die Lieferung wird nach Art. 33 und 34 MwStSystRL in Deutschland bewirkt. Sie ist steuerfrei unter den Voraussetzungen des Art. 67 Abs. 3 NATO-ZAbk (insbesondere Auftragsvergabe durch eine amtliche Beschaffungsstelle und Nachweis der Steuerbefreiung durch einen Abwicklungsschein). Der Nachweis der Steuerfreiheit einer Lieferung nach Art. 67 Abs. 3 des NATO-Zusatzabkommens kann nicht nur durch die Vorlage eines Abwicklungsscheins[3] ...

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