1 Allgemeines

1.1 Vorbemerkung, Entstehung, Bedeutung und Zweck der Vorschrift

 

Rz. 1

Nach § 4 Nr. 6 Buchst. d UStG sind Personenbeförderungen (also nur Dienstleistungen, keine Lieferungen) zwischen inländischen Seehäfen und der Insel Helgoland umsatzsteuerfrei, wenn diese Beförderungen im Passagier- und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt stattfinden. Die Begünstigung stellt eine wirtschaftliche Fördermaßnahme des Ausflugsverkehrs nach Helgoland dar, die dem allgemeinen Prinzip der USt, den Endverbrauch zu belasten, widerspricht. Hintergrund der Befreiung ist, dass derartige Umsätze bis 31.12.1995 nicht der Umsatzbesteuerung unterlagen, weil die bei der Beförderung durchfahrenen Gewässer nicht zum umsatzsteuerlichen Inland gehörten und die Beförderungen wegen des sog. Streckenprinzips beim Ort der Dienstleistung daher nicht umsatzsteuerbar waren. Der Gesetzgeber wollte jedoch – aus wirtschaftlichen Gründen – diese Nichtbesteuerung im Ergebnis beibehalten und hatte daher die Steuerbefreiung eingeführt.

 

Rz. 2

Der Passagierverkehr zwischen den ohnehin schon wirtschaftlich schwachen Regionen der Küstenländer und der Insel Helgoland soll (weiterhin) nicht mit USt belastet werden. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 Buchst. d UStG führt damit zu einem systemwidrigen, nicht mit USt belasteten privaten Endverbrauch, weil dem leistenden Unternehmer für die Eingangsumsätze, die im Zusammenhang mit den umsatzsteuerfreien Beförderungsumsätzen stehen, der volle Vorsteuerabzug zusteht. Dieser steuerfreie, umsatzsteuerlich völlig unbelastete Letztverbrauch läuft dem Grundgedanken des gemeinsamen Binnenmarkts innerhalb der EU zuwider, weil es gerade das Ziel des gemeinsamen Binnenmarkts ist, den privaten Letztverbrauch grundsätzlich mit USt zu belasten.

 

Rz. 3

Die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 6 Buchst. d UStG für Personenbeförderungen im Passagier- und Fährverkehr zwischen inländischen Seehäfen und der Insel Helgoland war mWv 1.1.1996 neu in das UStG eingeführt worden[1] und ist seither unverändert geblieben. Die Regelung geht nicht auf einen entsprechenden Vorschlag der Bundesregierung zurück und war im Gesetzentwurf eines Jahressteuergesetzes 1996[2] nicht enthalten. Erst als Ergebnis des Vermittlungsverfahrens zu dem JStG 1996 wurde die Befreiungsvorschrift in das Gesetz aufgenommen.[3] Begründungen enthalten die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses nicht.

 

Rz. 4

Die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses trägt der Stellungnahme des Bundesrats v. 2.6.1995 zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996[4] Rechnung. Der Bundesrat hatte seine Empfehlung für eine neue Befreiungsvorschrift wie folgt begründet[5]:

„Durch die Ausdehnung der Hoheitsgewässer und den Wegfall der sogenannten Helgoland-Box sind die Personenbeförderungsleistungen mit Seeschiffen zwischen dem Inland und der Insel Helgoland in die Steuerbarkeit einzubeziehen.[6]

Die 6. EG-Richtlinie enthält in Art. 28 Abs. 3 Buchst. b i. V. m. Anhang F Nr. 17 die Erlaubnis, die bestehende Nichtbesteuerung aufrechtzuerhalten. Von dieser Erlaubnis muss im Interesse der betroffenen Region Gebrauch gemacht werden. Es besteht kein Grund, die erforderlichen Rechtsanpassungen in den Küstengewässern derart auszuweiten, dass für die Insel Helgoland, die nicht zum erweiterten Inland gehört, Schaden entsteht; ein solcher wäre durch die steigenden Fährpreise unausweichlich.”

 

Rz. 5

Der steuersystematische Hintergrund der Einführung der Steuerbefreiung ist folgender: Nach der Rechtslage bis zum 31.12.1995 waren aufgrund der bis dahin geltenden Fassung der Vereinfachungsregelung gem. § 7 Abs. 3 UStDV (für grenzüberschreitende Beförderungen im Passagier- und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt, die zwischen ausländischen Seehäfen oder zwischen einem inländischen Seehafen und einem ausländischen Seehafen durchgeführt werden) Personenbeförderungen im Passagier- und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt zwischen einem Seehafen im Inland und der Insel Helgoland – abweichend vom damaligen § 3b Abs. 1 UStG – insgesamt nicht umsatzsteuerbar. Helgoland gehört nach § 1 Abs. 2 UStG nicht zum Inland, ist umsatzsteuerlich also Ausland. Demzufolge galt Helgoland als Seehafen im Ausland.[7] Die Nichtsteuerbarkeit der Personenbeförderungen schloss den Vorsteuerabzug für die dazugehörigen Eingangsleistungen nicht aus, sodass die Personenbeförderungsleistungen vom Endverbraucher umsatzsteuerlich völlig unbelastet empfangen werden konnten, was umsatzsteuerlich dem sog. Nullsatz gleichkommt.

 

Rz. 6

Die sachliche Bedeutung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 6 Buchst. d UStG ergibt sich insbesondere aus den Änderungen des § 1 Abs. 3 UStG und des § 7 Abs. 4 UStDV, die zum 1.1.1996 durch Art. 20 Nr. 1 und Art. 21 Nr. 4 Buchst. d JStG 1996 vorgenommen worden waren. Nach der mWv 1.1.1996 eingetretenen Änderung von § 1 Abs. 3 UStG (Art. 20 Nr. 1 JStG 1996) sind sonstige Leistungen (also auch Personenbeförderungen), die in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt und nicht für das Unte...

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