Rz. 7

§ 4 Nr. 22 Buchst. a UStG beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der USt: "Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung." Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Begriff der Einrichtungen. Die in den Buchstaben b und g von Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL enthaltenen Begriffe "andere ordnungsgemäß anerkannte Einrichtungen gleicher Art" und "andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" umfassen auch natürliche Personen.[1] Der Begriff der Einrichtung setzt also insbesondere keine bestimmte Rechtsform voraus. Wenn Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien von natürlichen Personen geführt werden, kommt unter den weiteren Voraussetzungen der Regelung die Steuerbefreiung in Betracht. Bei richtlinienkonformer Auslegung von § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind nicht alle Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen zur Erlernung von Fähigkeiten oder Fertigkeiten "wissenschaftlicher oder belehrender Art" i. S . dieser Vorschrift befreit, sondern nur diejenigen, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul- oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung anzusehen sind.[2] Der Begriff "Schul- oder Hochschulunterricht" beschränkt sich dabei nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Davon ausgehend können Tätigkeiten, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben, vom Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts erfasst werden, wenn die Unterweisung in Schulen oder Hochschulen erfolgt. Der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL umfasst somit Tätigkeiten, die sich sowohl wegen ihrer spezifischen Art als auch aufgrund des Rahmens, in dem sie ausgeübt werden, abheben. Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber mit diesem Begriff auf einen bestimmten Typus von Unterrichtssystem abstellen wollte, der allen Mitgliedstaaten unabhängig von den jeweiligen Besonderheiten der nationalen Systeme gemeinsam ist. Für die Zwecke der MwSt verweist der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts daher allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen.[3] Die EuGH-Rechtsprechung ist im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG von Amts wegen und nicht nur auf Verlangen des Steuerpflichtigen im Rahmen eines von ihm geltend gemachten Anwendungsvorrangs des Unionsrechts zu berücksichtigen. Im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung kommt eine Auslegung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG nach Maßgabe des nationalen Berufsbildungsgesetzes nicht in Betracht.[4]

 

Rz. 7a

Surf- und Segelunterricht in privater Hand betriebener Schulen beinhaltet die Vermittlung verschiedener praktischer und theoretischer Kenntnisse, bleibt aber gleichwohl ein spezialisierter und punktuell erteilter Unterricht, der für sich allein nicht der den unionsrechtlichen Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt.[5]

 

Rz. 7b

Der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL ist dahingehend auszulegen, dass er nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht umfasst. Mit Bezug auf seine frühere Rechtsprechung zur Steuerfreiheit von Bildungsleistungen kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass der Schwimmunterricht in einer Schwimmschule wie im Ausgangsfall zwar unzweifelhaft von Wichtigkeit ist und ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt, jedoch gleichwohl ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht bleibt, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt. Damit kommt der EuGH zum gleichen Ergebnis wie b...

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