Rz. 23

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 19 Buchst. a UStG knüpft im Wesentlichen an persönliche Voraussetzungen des Unternehmers an. Die Befreiung kann nur von Unternehmern in Anspruch genommen werden, die selbst blind sind. Begünstigt sind daher nur Einzelunternehmer (natürliche Personen). Für Körperschaften oder Personenvereinigungen kommt die Steuerbefreiung nicht in Betracht. Das gilt z. B. auch für eine Einmann-GmbH, die von einem Blinden als alleinigem Anteilseigner geführt wird oder für einen Personenzusammenschluss von Blinden zu einer GbR oder zu einer Personengesellschaft (KG, OHG). Eine gegenteilige Auffassung, die die Steuerbefreiung z. B. auch bei einer Personengesellschaft als gegeben ansieht, wenn alle Gesellschafter blind sind, dürfte mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar sein. In all diesen Fällen ist die Körperschaft oder Personenvereinigung umsatzsteuerlich Unternehmer und nicht die dahinterstehenden natürlichen Personen.[1] In diesen Fällen kann lediglich die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG für die dort abschließend aufgezählten begünstigten Umsätze gelten. Diese Auffassung dürfte auch trotz der EuGH-Rechtsprechung, wonach die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL von der Rechtsform des Steuerpflichtigen, der die dort genannten ärztlichen oder arztähnlichen Leistungen erbringt, unabhängig ist[2], haltbar sein. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 19 UStG beruht nicht auf Art. 132 MwStSystRL, sondern auf der Übergangsregelung nach Art. 371 i. V. m. Anhang X Teil B MwStSystRL, die eine solche rechtsformneutrale Anwendung nicht vorschreibt. Eine Steuerbefreiung auf Basis der Übergangsregelungen einzuschränken oder abzuschaffen, steht den Zielen der MwStSystRL nicht entgegen.[3]

 

Rz. 24

Die Blindheit muss zum Zeitpunkt des Umsatzes gegeben sein. Es ist daher unerheblich, ob diese Behinderung bereits von Geburt an bestand oder erst später eingetreten ist.

 

Rz. 25

Es ist nicht von vornherein rechtsmissbräuchlich, wenn Blinde ihre körperliche Behinderung im Rahmen des § 4 Nr. 19 Buchst. a UStG zur Verbesserung ihrer finanziellen Situation einsetzen und dabei aus dem Bereich heraustreten, den sich der Gesetzgeber als umsatzsteuerrechtliche Blindenförderung vorgestellt hat. Die Grenze zum Rechtsmissbrauch wird dann überschritten, wenn Gestaltungen gewählt werden, die dem Blinden die in § 4 Nr. 19 Buchst. a UStG vorausgesetzte unternehmerisch-wirtschaftliche Betätigung verwehren. Der Blinde i. S. d. § 4 Nr. 19 Buchst. a UStG muss eigene geschäftliche Initiative entwickeln und das geschäftliche Risiko tragen. Er muss in Ausübung eigener unternehmerischer Interessen in die Leistungskette eingeschaltet sein.[4] In dem vom BFH entschiedenen Fall ging es um einen Mineralölunternehmer, dem zahlreiche Tankstellen gehörten. Er hatte mehrere Tankstellen an einen Blinden verpachtet, der über diese und andere von Tochtergesellschaften des Mineralölunternehmers gepachtete Tankstellen Treibstoffe steuerfrei nach § 4 Nr. 19 Buchst. a UStG (1967) absetzte. Eine derartige Konstruktion ist wegen des Ausschlusses der Steuerbefreiung für Mineralöllieferungen heute nicht mehr möglich.

[1] So wohl auch Heuermann, in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 19 UStG Rz. 4.
[2] EuGH v. 6.11.2003, C-45/01, Christoph-Dornier-Stiftung für Klinische Psychologie, BFH/NV Beilage 2004, 40.
[3] EuGH v. 29.4.1999, C-136/97, Norbury Developments, EuGHE I 1999, 2491.

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