Rz. 122

Die private Nutzung einer Wohnung in einem dem Unternehmen zugeordneten Gebäude, bei dessen Anschaffung der Unternehmer den Vorsteuerabzug geltend machen konnte, ist als steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe i. S. d. Unionsrechts zu beurteilen.[1] Der BFH ist dieser Entscheidung gefolgt.[2] Dies hat zur Folge, dass die Verwendung einer Wohnung in einem dem Unternehmen zugeordneten Betriebsgebäude zur Vorsteuerabzugsberechtigung auch hinsichtlich dieses Gebäudeteils im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes führt.

 

Rz. 123

Nach der ab 1.1.2011 geltenden neuen Rechtslage gilt Folgendes: Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die USt für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden gilt dies entsprechend. Mit dieser Neufassung des § 15 Abs. 1b UStG wurde Art. 168a MwStSystRL in nationales Recht – beschränkt auf Grundstücke – umgesetzt. Von der Option der MwStSystRL, die Regelung auch auf bewegliche körperliche Gegenstände (z. B. Pkw) anzuwenden, macht der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch. Der Vorsteuerabzug für gemischt genutzte Grundstücke wurde damit ab 1.1.2011 neu geregelt. Das Zuordnungswahlrecht des Unternehmers, gemischt genutzte Grundstücke – Grundstücke die sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf des Personals verwendet werden – im vollen Umfang seinem Unternehmen zuzuordnen, blieb unberührt. Es gilt aber ein neuer Vorsteuerausschlusstatbestand. Hiervon unberührt bleiben Gegenstände, die umsatzsteuerlich keine Bestandteile des Grundstücks oder Gebäudes sind (z. B. Fotovoltaikanlagen). Die Neuregelung des Vorsteuerausschlusses bei teilweise unternehmerisch, teilweise privat genutzten Grundstücken gilt nicht für Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgrund von Kaufverträgen oder Bauanträgen, die in die Zeit vor dem 1.1.2011 fallen. Die Unternehmer konnten somit für Neuanschaffungen/Neuherstellungen noch in den Genuss der alten Regelung kommen, wenn sie den Kaufvertrag noch bis 31.12.2010 abgeschlossen bzw. bis zu diesem Zeitpunkt den Bauantrag gestellt bzw. (bei baugenehmigungsfreien Gebäuden) bis 31.12.2010 die Bauunterlagen eingereicht hatten.

 
Praxis-Beispiel

Unternehmer U erwirbt am 1.3.2018 ein Gebäude zu einem Kaufpreis von 2 Mio. EUR zzgl. 380.000 EUR USt, das er zu 100 % dem Unternehmensvermögen zuordnet. Eine Wohnung in dem Gebäude, die 30 % der Gesamtfläche ausmacht, bewohnt U ab dem Zeitpunkt der Anschaffung privat. Ab 1.1.2021 gibt U die Privatwohnung auf und nutzt das Gebäude zu 100 % für seine unternehmerischen Zwecke.

U kann im März 2018 für die Anschaffung des Gebäudes nur einen Vorsteuerabzug von 70 % von 380.000 EUR = 266.000 EUR geltend machen. Wegen der Privatnutzung des Gebäudes zu 30 % ist der Vorsteuerabzug in entsprechender Höhe ausgeschlossen. Ab 1.1.2021 erhält U im Wege der Vorsteuerberichtigung wegen der jetzt 100 %igen Nutzung des Grundstücks den vollen Vorsteuerabzug pro rata temporis für die verbleibende Zeit des Berichtigungszeitraums.

Die bei einer natürlichen Person als Unternehmer bestehende Rechtslage bezüglich der Nutzung von Wohnräumen in einem Gebäude des Unternehmers unterscheidet sich nach dem BFH-Urteil v. 12.1.2011[3] von der Nutzung von Wohnräumen durch Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH in einem Gebäude, das der GmbH gehört. Während ein Einzelunternehmer mit sich selbst keine Verträge schließen kann, hat eine GmbH als juristische Person verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten:

  • Sie kann mit ihren Gesellschafter-Geschäftsführern einen Mietvertrag abschließen, durch die den Geschäftsführern Wohnraum gegen Zahlung eines Entgelts überlassen wird. Dann liegt eine steuerfreie Vermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG vor, die nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug ausschließt.
  • Sie kann mit ihren Gesellschafter-Geschäftsführern einen Anstellungsvertrag abschließen und darin vereinbaren, dass die Überlassung des Wohnraums – als Sachbezug – einen Teil der Vergütung für ihre Tätigkeit bildet. In diesem Fall liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor, wobei die Leistung der GmbH ebenfalls eine den Vorsteuerabzug ausschließende Vermietung i. S. d. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG darstellt (eine als Vermietung anzusehende Nutzungsüberlassung kann auch in einem sonstigen Vertrag geregelt werden[4]). Wird die Überlassung einer Wohnung eines Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer in einem Anstellungsvertrag geregelt, ist diese nicht unentgeltlich. Der Wohnraum w...

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