Rz. 50

Gegenstand der Steuerbefreiung ab 1.7.2010 sind (Post)Universaldienstleistungen nach Art. 3 Abs. 4 der RL 97/67/EG in der jeweils geltenden Fassung. Bei dem Verweis auf die Richtlinie handelt es sich um einen gleitenden Verweis, sodass bei Änderung des Universaldienstleistungsbegriffs nach der RL 97/67/EG sich entsprechend der Umfang der Umsatzsteuerbefreiung ändern würde.

 

Rz. 51

Nach Art. 3 Abs. 4 der RL 97/67/EG erlässt jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, damit der Universaldienst mindestens folgendes Angebot umfasst:

  • Abholung, Sortieren, Transport und Zustellung von Postsendungen bis 2 kg;
  • Abholung, Sortieren, Transport und Zustellung von Postpaketen bis 10 kg;
  • die Dienste für Einschreib- und Wertsendungen.

Aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 4 der RL 97/67 und insbesondere dem darin enthaltenen Begriff "mindestens" geht hervor, dass ein Mitgliedstaat zwar zumindest sicherstellen muss, dass die dort genannten Leistungen gewährleistet sind; gleichwohl können auch andere Postdienste als gegebenenfalls unter den von ihm gewährleisteten Universaldienst fallend angesehen werden. Anbieter von Briefzustelldienstleistungen, die in ihrer Eigenschaft als Inhaber einer nationalen Lizenz, die ihnen die Erbringung dieser Dienstleistung gestattet, verpflichtet sind, förmliche Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des nationalen Rechts durchzuführen, sind daher nach der EuGH-Rechtsprechung[1] als "Universaldiensteanbieter" i. S. v. Art. 2 Nr. 13 und Art. 3 RL 97/67 anzusehen, sodass solche förmlichen Zustellungen als von "öffentlichen Posteinrichtungen" erbrachte Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL umsatzsteuerfrei sind. Der BFH[2] hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Danach ist die förmliche Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften eine Post-Universaldienstleistung nach Art. 3 Abs. 4 RL 97/67/EG (Post-RL), die als von "öffentlichen Posteinrichtungen" erbrachte Dienstleistung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL von der USt befreit ist. Auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL kann sich der Steuerpflichtige unmittelbar berufen. Wer Post-Universaldienstleistungen nach Art. 3 Abs. 4 RL 97/67/EG bzw. nach § 4 Nr. 11b UStG erbringt, hat Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b S. 2 UStG. Die Verwaltung hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Mit BMF-Schreiben v. 28.9.2021[3] wurden förmliche Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden auf der Grundlage der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellungen regeln, entsprechend einer seitens der Bundesnetzagentur zu diesem Zweck erteilten Lizenz, wenn sich der Lizenznehmer verpflichtet, diese Zustellungen im gesamten Bundesgebiet anzubieten, in die Liste der steuerbefreiten Post-Universaldienstleistungen[4] aufgenommen. Abschn. 4.11b Abs. 8 UStAE, der förmliche Zustellungen vom Anwendungsbereich der Steuerbefreiung ausgenommen hatte, wurde gestrichen.

 

Rz. 52

Seit 1.7.2010 umfasst die Steuerbefreiung somit folgende Dienstleistungen (nicht Lieferungen):

  • die Beförderung von Briefsendungen bis 2.000 Gramm,
  • die förmliche Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften,
  • die Beförderung von adressierten Paketen bis 10 kg,
  • die Beförderung von adressierten Büchern, Katalogen, Zeitungen und Zeitschriften mit einem Gewicht von jeweils bis zu 2 kg sowie
  • die Beförderung von Einschreib- und Wertsendungen.
 

Rz. 53

Diese begünstigten Leistungen können von jedem Leistungsempfänger in Anspruch genommen werden, unabhängig davon, ob es sich um eine Privatperson, einen Unternehmer oder eine gemeinwohlorientierte Einrichtung handelt. Von daher ist auch nicht zwischen Privat- und Geschäftskunden eines Postdienstleisters zu unterscheiden.

 

Rz. 54

Seit 1.7.2010 nicht (mehr) umsatzsteuerfrei sind demnach:

  • Beförderungen von Paketsendungen mit einem Gewicht von mehr als 10 kg bis zu 20 kg,
  • Beförderungen adressierter Bücher, Kataloge, Zeitungen und Zeitschriften mit einem Gewicht von jeweils mehr als 2 kg,
  • Expresszustellungen sowie
  • Beförderungen von Nachnahmesendungen.

Expresszustellungen sind Briefsendungen, die so bald wie möglich nach ihrem Eingang bei einer Zustelleinrichtung des leistenden Unternehmers durch besonderen Boten zugestellt werden.[5] Nachnahmesendungen sind Briefsendungen, die erst nach Einziehung eines bestimmten Geldbetrags an den Empfänger ausgehändigt werden.[6]

Allerdings sollen die Leistungen, die ein Universalpostdienstleister unter den Produkttiteln "DV-freigemachte Briefsendungen", "Brief mit Handyporto", "Teilleistungen", "Brief International zum Kilotarif (BzK)" (das internationale Pendant zum Produkt "Teilleistungen") und "Nachnahme Brief" erbringt, unter richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 11b UStG steuerfrei sein. Die "Briefsendung mit Nachnahmedienst" soll eine Universaldienstleistung i. S. d. § 4 Nr. 11b Satz 1 UStG sein, die sich nicht in eine Briefbeförderung...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge