Rz. 26

§ 4 Nr. 11b UStG beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten "von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen" von der USt. Der Wortlaut der Bestimmung deckt nicht die Gesamtheit der postalischen Leistungen ab, unabhängig von dem Unternehmer, der sie erbringt. Steuerfrei sind die Dienstleistungen (sonstige Leistungen) und Lieferungen, die von einer Einrichtung erbracht werden, die als öffentliche Posteinrichtung im organisatorischen Sinne dieses Begriffs angesehen werden kann. Im Übrigen darf ein Mitgliedstaat die postalischen Tätigkeiten einer Einrichtung übertragen, die keine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist. Die Leistungen bleiben steuerfrei, selbst wenn sie von einem konzessionierten Unternehmen ausgeführt werden. Die Bestimmung beschränkt die Steuerbefreiung lediglich auf die von der Post – ob nun Einrichtung des öffentlichen Rechts oder konzessioniertes Unternehmen – erbrachten Dienstleistungen unter Ausschluss mittelbarer Leistungen oder Vorleistungen, die andere Unternehmen für die Post erbringen.[1] Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL gestattet somit die Steuerbefreiung grundsätzlich auch dann, wenn die Umsätze von einer Einrichtung des privaten Rechts, z. B. einer Kapitalgesellschaft wie der Deutsche Post AG, erbracht werden. Zu den Vorschlägen der EU-Kommission v. 5.5.2003 und 8.7.2004 für eine Änderung der MwStSystRL in Bezug auf die mehrwertsteuerliche Behandlung von Dienstleistungen im Postsektor vgl. Huschens, in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, EU-Teil Rz. 1111ff. Der Richtlinienvorschlag war wiederholt auf EU-Ebene erörtert worden. Dabei stellte sich heraus, dass u. a. eine Abschaffung der Steuerbefreiung für Postdienstleistungen keine Aussicht auf Erfolg hat. Die EU-Kommission hatte dem durch Rücknahme des Richtlinienvorschlags in 2013 Rechnung getragen.

 

Rz. 27

Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts Geelhoed v. 10.4.2003 in der EuGH-Rs. C-169/02[2] fallen in den Bereich der Steuerbefreiung für die Postdienstleistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) nur die nach der Richtlinie 97/67/EG v. 15.12.1997[3] von den EU-Mitgliedstaaten "reservierten Dienste". Die Umsätze im Bereich der nicht reservierten Dienste sind zwingend umsatzsteuerpflichtig, auch wenn sie zu den Universaldiensten gehören.

 

Rz. 28

Der EuGH hat mit seinem Urteil v. 23.4.2009[4] eine Mehrwertsteuerbefreiung dann verneint, wenn Leistungsbedingungen individuell ausgehandelt worden sind. Bei dem Urteil ging es um die Auslegung des Begriffs "Öffentliche Posteinrichtungen" gem. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie[5] sowie den Umfang der dort geregelten Steuerbefreiung.

 

Rz. 29

Der EuGH hat erneut klargestellt, dass mit den in Art. 13 Teil A der 6. EG-Richtlinie[6] vorgesehenen Steuerbefreiungen die Förderung bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten bezweckt wird. Dieser allgemeine Zweck mündet nach den Ausführungen des EuGH im Postbereich in den spezifischeren Zweck ein, postalische Dienstleistungen, die den Grundbedürfnissen der Bevölkerung entsprechen, zu ermäßigten Kosten anzubieten. Der EuGH nimmt in diesem Zusammenhang explizit Bezug auf die Richtlinie 97/67/EG und verweist auf den mit dieser Richtlinie verfolgten Zweck des Angebots eines sog. Universalpostdienstes. Der EuGH stellt fest, dass der mit der Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Buchst. a der 6. EG-Richtlinie[7] verfolgte Zweck damit übereinstimmt. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 97/67/EG ist unter einem Universalpostdienst das flächendeckende Angebot postalischer Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer zu verstehen.

 

Rz. 30

Die begünstigten Postdienstleistungen müssen nach den Ausführungen des EuGH den grundlegenden Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen und somit von allgemeinem Interesse sein. Die Steuerbefreiung gilt somit nicht für spezifische, von den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse trennbare Dienstleistungen, zu denen Dienstleistungen gehören, die besonderen Bedürfnissen von Wirtschaftsteilnehmern entsprechen. Deshalb werden insbesondere Dienstleistungen, deren Bedingungen einzelvertraglich ausgehandelt worden sind, nicht von der Mehrwertsteuerbefreiung umfasst. Wie der EuGH ausführt, entsprechen solche Leistungen bereits ihrer Natur nach besonderen Bedürfnissen der betreffenden Kunden.

 

Rz. 31

Der EuGH verweist in diesem Zusammenhang explizit auf den Erwägungsgrund Nr. 15 der Richtlinie 97/67/EG, wonach bereits die Möglichkeit, Verträge mit den Kunden individuell auszuhandeln, von vornherein nicht dem Begriff des Universaldienstangebots entspricht. Für Postdienstleistungen, die besonderen Bedürfnissen von Wirtschaftsteilnehmern entsprechen, kommt daher keine Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Buchst. a der 6. EG-Richt...

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