Rz. 10

Für die Bestimmung des Lieferorts bei der Lieferung von Gas über das Erdgasnetz, Elektrizität, Wärme oder Kälte über Wärme- und Kältenetze ist zu unterscheiden, ob der Empfänger der Lieferung ein sog. Wiederverkäufer (§ 3g Abs. 1 UStG) oder ein anderer Abnehmer (§ 3g Abs. 2 UStG) ist. § 3g Abs. 1 UStG umschreibt den Wiederverkäufer als einen Unternehmer, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Gegenstände in deren Lieferung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Gegenstände von untergeordneter Bedeutung ist. Maßgebend ist dabei nicht die Gesamttätigkeit des Wiederverkäufers, sondern nur dessen Tätigkeit in den Sparten "Kauf von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte" (spartenbezogene Betrachtung). Dabei bilden die unterschiedlichen Gegenstände "Gas", "Elektrizität", "Wärme" und "Kälte" jeweils eigene Sparten. Ein Unternehmer, dessen Haupttätigkeit auf den Erwerb der Sparte „Gas“ bezogen, in deren Lieferung besteht und dessen eigener Verbrauch von Gas von untergeordneter Bedeutung ist, ist zwar Wiederverkäufer für Gas, kann aber hinsichtlich der Sparte „Elektrizität“ die Wiederverkäufereigenschaft u. U. nicht erfüllen. Für Elektrizitätslieferungen gilt er dann als anderer Abnehmer. Es ist unschädlich, wenn der Wiederverkäufer neben dem Handel mit Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte eine andere unternehmerische Tätigkeit – auch hauptsächlich – ausübt. Die Wiederverkäufereigenschaft bezieht sich lediglich auf die in § 3g UStG genannten Gegenstände.

Der Unternehmer muss im eigenen Namen handeln. Damit fällt auch ein Kommissionär, der zwar in eigenem Namen, jedoch für fremde Rechnung handelt, unter die Vorschrift.[1]

 

Rz. 11

Nach Verwaltungsauffassung in Abschn. 3g.1 Abs. 2 S. 2 UStAE besteht die Haupttätigkeit dann im Weiterverkauf dieser Gegenstände, wenn der Unternehmer mehr als 50 % der von ihm eingekauften Menge auch tatsächlich weiterverkauft (Abgrenzung zu Schwund, Diebstahl oder Speicherung). Selbst erzeugte Mengen bleiben bei der Beurteilung unberücksichtigt. Damit können Betreiber von dezentralen Stromgewinnungsanlagen (z. B. Fotovoltaikanlagen, Windkraftanlagen, Biogasanlagen) regelmäßig keine Wiederverkäufer nach § 3g UStG sein, wenn sie vorrangig selbst erzeugte Energie liefern (Abschn. 2.5 Abs. 3 S. 1 UStAE, Abschn. 13b.3a Abs. 2 S. 3 und S. 4 UStAE). Sofern es sich bei der Lieferung der Gegenstände lediglich um Nebenleistungen handelt (z. B. Lieferung von Wärme durch den Vermieter an den Mieter), sind diese Lieferungen ebenfalls nicht zu berücksichtigen.[2]

Der eigene Gas-, Elektrizitäts-, Wärme- bzw. Kälteverbrauch ist dann von untergeordneter Bedeutung, wenn nicht mehr als 5 % der erworbenen Menge zu eigenen – unternehmerischen oder nichtunternehmerischen – Zwecken verwendet wird. Netzverluste bleiben außer Ansatz. Dabei sind die Verhältnisse des vorangegangenen Kalenderjahres maßgebend. Lediglich beim Überschreiten der 5-%-Grenze um maximal weitere 5 % (also insgesamt 10 %) stellt die Verwaltung auf das Mittel der letzten drei Jahre ab (Abschn. 3g.1 Abs. 2 S. 5 und Abs. 3 S. 1 UStAE).

 

Rz. 12

Bei der Beurteilung der Wiederverkäufereigenschaft sind grundsätzlich die Verhältnisse des gesamten Unternehmens maßgebend. Strittig ist, ob dies auch für die umsatzsteuerliche Organschaft gilt. Die Finanzverwaltung geht wohl davon aus, dass zwar eine spartenbezogene Betrachtung zu erfolgen hat, die Verhältnisse des gesamten Organkreises jedoch für die Beurteilung der Wiederverkäufereigenschaft maßgeblich sind.[3] Hierdurch wird die Infizierung eines gesamten Organkreises durch einzelne, bei isolierter Betrachtung als Wiederverkäufer zu qualifizierende Organgesellschaften ausgeschlossen.[4] Der Wortlaut der Vorschrift, wonach der "Unternehmer" die Wiederverkäufereigenschaft erfüllen muss, spricht zwar dafür, dass lediglich auf den Organträger, der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG der Unternehmer ist, abzustellen wäre. Da jedoch die Haupttätigkeit dieses Unternehmers maßgeblich sein soll und der Organträger seine unternehmerische Tätigkeit insgesamt auch durch seine Organgesellschaften, die Teil seines Unternehmens und damit seiner unternehmerischen Tätigkeit sind, ausübt, wäre auch eine Beurteilung nach dem gesamten Organkreis vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt. Auch die MwStSystRL lässt diese Auslegung zu, da Art. 38 Abs. 2 MwStSystRL den steuerpflichtigen Wiederverkäufer als Steuerpflichtigen definiert und Art. 11 MwStSystRL als Grundlage der Organschaft den Mitgliedstaaten gestattet, mehrere Personen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Folglich ist auch unionsrechtlich auf die Verhältnisse aller Personen gemeinsam abzustellen. Einer Beurteilung getrennt nach den Verhältnissen des Organträgers bzw. der Organgesellschaft ist m. E. damit nicht zuzustimmen.[5] Zwar mag der Abnehmer als Auftraggeber einer Lieferung die jeweilige Organgesellschaft sein. Die Vorschrift stellt jedoch bei der Definition des Wiederverkäufers nicht maßgeblich auf den Abnehmer, sondern auf den Unternehmer ab.

 

Rz. 1...

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