Rz. 545

Eine wichtige Frage des Umsatzsteuerrechts ist seit jeher, wann mehrere Tätigkeiten einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang in dem Sinne bilden, dass sie umsatzsteuerrechtlich einheitlich zu behandeln sind; man spricht hier von "einheitlichen (sonstigen) Leistungen".[1] In der Praxis hat dies nicht nur bei der Frage einer möglichen Steuerfreiheit oder des anzuwendenden Steuersatzes erhebliche Bedeutung, sondern bei grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen auch in der Hinsicht, wo denn der Leistungsort zu finden ist und damit, wo diese Leistung steuerbar ist. Dabei dürfte das Bestehen von "Leistungsbündeln" gerade bei sonstigen Leistungen häufig anzutreffen sein, man denke hier nur an die Messedienstleistungen und die bei sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, bei denen oft eine ganze Reihe verschiedener Leistungen durch einen Unternehmer erbracht werden.

 

Rz. 546

Seit der Neuregelung des § 3a UStG zum 1.1.2010 ist allerdings festzuhalten, dass sich die Bedeutung der Abgrenzungsfragen deutlich reduziert hat. Insbesondere wenn die Grundregel des § 3a Abs. 2 UStG bei Leistungen zwischen Unternehmern zur Anwendung kommt und es sich ausschließlich um sonstige Leistungen handelt, ist die Art der erbrachten sonstigen Leistungen oft ohne Bedeutung. Da die Grundregel des § 3a Abs. 2 UStG aber auch bei Leistungen zwischen Unternehmern mit vielen Ausnahmen versehen ist – wie insbesondere in den Fällen des § 3a Abs. 3 UStG – lässt sich die Frage nach dem Vorliegen von wirtschaftlich einheitlichen Vorgängen dennoch nicht immer umgehen, auch weil bei "Leistungsbündeln" die Notwendigkeit der Abgrenzung von sonstigen Leistungen zu Lieferungen notwendig werden kann.

 

Rz. 547

Gerade in Anbetracht der Vielzahl der im Wirtschaftsgeschehen denkbaren Leistungen und des Umstands, dass nicht nur eine Kombination verschiedener sonstiger Leistungen möglich ist[2], sondern auch deren Kombination mit Lieferungen, z. B. die Lieferung von Standardsoftware sowie deren Anpassung an die Bedürfnisse des Leistungsempfängers, lassen sich auch in einer umfassenden Verwaltungsanweisung kaum alle Fallkonstellationen benennen.[3] Hier können immer Abgrenzungsfragen auftreten, welche dann – wie die Vergangenheit gezeigt hat – letztlich durch die Gerichte und zuletzt den EuGH zu entscheiden sind. Aufgrund der regen Tätigkeit des EuGH ist aber zu den wesentlichen Voraussetzungen des Vorliegens von einheitlichen wirtschaftlichen Vorgängen bereits eine ganze Reihe von Entscheidungen ergangen.[4] Auch wenn den ersten Entscheidungen überwiegend noch das bis zum 31.12.2009 geltende Recht des Leistungsorts zugrunde lag, lassen sich aus ihnen dennoch die allgemeinen Grundsätze entnehmen. Darüber hinaus existiert eine ganze Reihe von Entscheidungen des BFH zu der Thematik[5] und auch der UStAE beinhaltet umfassende Ausführungen.[6]

Dass immer wieder Fragen im Zusammenhang mit einheitlichen Leistungen zu klären sind, zeigt sich aus der jüngeren Rechtsprechung des EuGH, der insbesondere mit seinem Urteil vom 18.1.2018[7] für viel Diskussionsbedarf im Zusammenhang mit den in Deutschland teilweise bestehenden umsatzsteuerrechtlichen Aufteilungsgeboten – wie etwa für das Frühstück bei Hotelübernachtungen – gesorgt hat.[8] Letztlich hat der EuGH hier aber an den wesentlichen Grundsätzen seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten und verweist im Übrigen auf die Notwendigkeit der genauen Prüfung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls.

 

Rz. 548

Als allgemeine Grundregel ist hier zunächst festzuhalten, dass wirtschaftliche Tätigkeiten grundsätzlich jeweils umsatzsteuerlich separat – als eigenständige, selbstständige Leistung – zu beurteilen sind.[9] Nur die so bezeichneten einheitlichen wirtschaftlichen Vorgänge führen dazu, dass vermeintlich mehrere Leistungen auch umsatzsteuerlich einheitlich zu beurteilen sind. Eine derartige einheitliche Beurteilung kommt insbesondere in Betracht, wenn eine der wirtschaftlichen Tätigkeiten der bestimmende Bestandteil – die Hauptleistung – ist und die andere als Nebenleistung lediglich der Abrundung dieser Leistung dient.[10] In einem solchen Fall teilt die Nebenleistung das (umsatzsteuerliche) "Schicksal" der Hauptleistung.[11] Eine einheitliche umsatzsteuerliche Behandlung ist des Weiteren in Betracht zu ziehen, wenn es sich um mehrere untereinander gleichwertige Tätigkeiten handelt, welche aber zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels beitragen;[12] ein derartiger Sachverhalt lag wohl der Rechtssache Levob Verzekeringen BV & OV Bank NV[13] zugrunde.

 

Rz. 549

Im Ergebnis lassen sich aus der bisher ergangenen Rechtsprechung des EuGH[14] jedenfalls einige allgemeine Kriterien für die Beurteilung der Einheitlichkeit von Leistungen ableiten.[15] Als wichtiger "Obersatz" gilt dabei zunächst, dass wirtschaftlich einheitliche Leistungen nicht künstlich aufgespalten werden dürfen. Leistungen sind dann als Nebenleistungen zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck habe...

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