1 Entstehungsgeschichte

 

Rz. 1

Das Gesetz über einen Warenstempel v. 26.6.1916[1] unterwarf nur die Lieferungen von Waren einer Besteuerung. Durch das UStG 1918[2] wurde der Besteuerungsgegenstand dann erstmals allgemein auf Lieferungen (auch auf Grundstückslieferungen) und sonstige Leistungen im gewerblichen Bereich erweitert. Das UStG 1919[3] dehnte die Besteuerung dann auch auf die Leistungen der freien Berufe aus. Bis zum 31.12.1967 war der Begriff der sonstigen Leistung in § 7 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen zum UStG 1951 (UStDB 1951) wie folgt geregelt:

Zitat

§ 7

Sonstige Leistung

(1) 1Sonstige Leistungen sind Leistungen, die nicht in einer Lieferung bestehen. 2Eine sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

Mit Wirkung ab 1.1.1968 wurde die Durchführungsbestimmung als § 3 Abs. 8 in das UStG 1967 aufgenommen:

Zitat

(8) 1Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. 2Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

 

Rz. 2

Die Regelung des § 3 Abs. 8 UStG 1967 wurde zum 1.1.1980 unverändert in § 3 Abs. 9 UStG 1980 übernommen.[4]

§ 3 Abs. 9 S. 3 UStG wurde mit Wirkung ab 1.1.1993[5] angefügt:

Zitat

(9) 3In den Fällen der §§ 27 und 54 des Urheberrechtsgesetzes führen die Verwertungsgesellschaften und die Urheber sonstige Leistungen aus.

Die Ergänzung sollte klarstellen, "… dass die Vergütungen nach den §§ 27 und 54 des Urheberrechtsgesetzes, insbesondere die sog. Bibliotheksabgabe und die sog. Leerkassettenvergütung, Entgelt für sonstige Leistungen sind und dass sowohl im Verhältnis der Zahlungsverpflichtungen zu den Verwertungsgesellschaften als auch im Verhältnis der Verwertungsgesellschaften zu den Urhebern ein steuerbarer Leistungsaustausch vorliegt. Die Vorschrift schafft im Hinblick auf teilweise abweichende Urteile der Zivilgerichte eine umsatzsteuerrechtlich eindeutige Rechtslage"[6]. Die Regelung ist dann aber zum 1.1.2019[7] wieder ersatzlos gestrichen worden, da keine Entsprechung mit dem Unionsrecht vorlag. Bis 31.12.2018 unterlagen diese sonstige Leistungen dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG.

 

Rz. 3

Mit Wirkung ab 27.6.1998 wurden folgende S. 4 und 5 in § 3 Abs. 9 UStG eingefügt[8]:

Zitat

4Die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle ist eine sonstige Leistung. 5Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden.

Bis zu diesem Zeitpunkt waren Umsätze von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle als Lieferungen i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG beurteilt worden. Seither mussten sie aufgrund der Sonderregelung in § 3 Abs. 9 UStG als sonstige Leistung beurteilt werden.

 

Rz. 4

§ 3 Abs. 9 S. 4 und 5 UStG wurden allerdings mit Wirkung ab 29.12.2007[9] wieder aufgehoben, nachdem der BFH in verschiedenen Urteilen festgestellt hatte, dass die gesetzliche Vorgabe in dieser Absolutheit nicht mit dem damaligen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen übereinstimmte. Seither sind Umsätze von Speisen und Getränken nach den allgemeinen Grundsätzen daraufhin zu untersuchen, ob Lieferungen oder sonstige Leistungen vorliegen[10].

[1] RGBl 1916, 639.
[2] RGBl 1918, 639.
[3] RGBl 1919, 2157.
[4] UStG 1980 v. 26.11.1979, BGBl I 1979, 1953, BStBl I 1979, 654.
[5] Gesetz zur Anpassung des UStG und anderer Rechtsvorschriften an den EG-Binnenmarkt – Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz v. 25.8.1992, BGBl I 1992, 1548, BStBl I 1992, 552.
[6] Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/2463.
[7] Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl I 2018, 2338.
[8] Gesetz zur Datenermittlung für den Verteilungsschlüssel des Gemeindeanteils am Umsatzsteueraufkommen und zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 23.6.1998, BGBl I 1998, 1496.
[9] Jahressteuergesetz 2008 v. 20.12.2007, BGBl I 2007, 3150.
[10] Vgl. Kommentierung in Rz. 104ff.

2 Unionsrecht

 

Rz. 5

Der Mehrwertsteuer unterliegen nach Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c MwStSystRL "Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt". Art. 24 Abs. 1 MwStSystRL definiert den grundsätzlichen Begriff der Dienstleistung wie folgt:

„(1) Als Dienstleistung gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.

Gemäß Art. 25 MwStSystRL kann eine Dienstleistung u. a. bestehen in der

  • Abtretung eines nicht körperlichen Gegenstands, gleichgültig, ob in einer Urkunde verbrieft oder nicht;
  • Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden;
  • Erbringung einer Dienstleistung aufgrund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes.”
 

Rz. 6

Sowohl die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie als auch § 3 Abs. 9 UStG enthalten keine eindeutige, klar abgr...

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