Rz. 12

In vielen Fällen ist zweifelhaft, ob eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt. Insoweit kommt es darauf an, welcher Art die erbrachte Leistung ist. Maßgebend ist nach ständiger Rechtsprechung die Sicht des Durchschnittsverbrauchers.[1] Bildet z. B. die körperliche Übergabe eines Gegenstands den wirtschaftlichen Leistungsgehalt, wird eine Lieferung vorliegen. Ist die Übergabe des Gegenstands dagegen von untergeordneter Bedeutung, weil es z. B. wirtschaftlich um die Übertragung der mit der Übergabe verbundenen Rechte (z. B. Urheberrechte) geht, liegt eine sonstige Leistung vor. Deutlich tritt diese Frage u. a. bei der Übergabe von Manuskripten (für Bücher oder Drehbücher), Zeichnungen (zu Erfindungen, Konstruktionen), Bauplänen, geschützten und ungeschützten Musterzeichnungen und Modellen (für Tapeten, Stoffe, Plastiken, Modeartikel, Webemuster, Musterdessins usw.) auf. In derartigen Fällen tritt im Allgemeinen das Ausdrucksmittel (z. B. das Papier) hinter der darin stehenden geistigen Leistung zurück, sodass sonstige Leistungen anzunehmen sind. Nur wenn das Ausdrucksmittel (z. B. durch die große Zahl der Anfertigung und die Zugänglichkeitsmachung für einen großen Kreis von Interessenten) gegenständliches Leben erlangt, ist eine Lieferung gegeben.

Ob eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt, spielt auch bei der Abgrenzung von Werklieferung und Werkleistung nach § 3 Abs. 4 UStG eine wesentliche Rolle. Auch hier kommt es – von Vereinfachungsregelungen abgesehen[2]- auf die Sichtweise eines Durchschnittsbetrachters an. Ein weiterer – klassischer – Abgrenzungsfall, bei dem die Abgrenzung von Lieferung zu sonstiger Leistung bis zu unterschiedlichen Steuersätzen führt, ist die Frage, ob es bei der Veräußerung verzehrfertiger Speisen zu einer Lieferung der Speisen oder zu der sonstigen Leistung "Restaurationsumsatz" kommt (Rz. 104ff.).

[1] EuGH v. 17.5.2001, C-322/99,  C 323/99, Fischer und Brandenstein, BFH/NV Beilage 2001, 177; BFH v. 9.6.2005, V R 50/02, BStBl II 2006, 98.
[2] Vgl. zur Abgrenzung der Reparatur bei beweglichen körperlichen Gegenständen Abschn. 3.8 Abs. 6 UStAE.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge