Rz. 9

Die Regelung in § 3 Abs. 8 UStG ist ausschließlich auf bewegte Lieferungen i. S. v. § 3 Abs. 6 UStG anzuwenden, bei denen ein Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt. Nicht erfasst werden unter die Sonderregelung von § 3g UStG fallende Lieferungen (Erdgas, Elektrizität)[1], ruhende Lieferungen i. S. d. § 3 Abs. 7 UStG, unternehmensinternes Verbringen nach § 3 Abs. 1a UStG sowie solche Lieferungen, bei denen ein Gegenstand nicht aus dem Drittland, sondern aus dem Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates in das Inland gelangt (s. hierzu aber die bis 2018 geltende Vereinfachungsregelung in Rz. 16) oder bei denen ein Gegenstand nur im Inland selbst bewegt wird.

Gelangt der Gegenstand einer Beförderungs- oder Versendungslieferung aus dem Drittlandsgebiet ins Inland und ist der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer, liegt kraft gesetzlicher Fiktion des § 3 Abs. 8 UStG der Lieferungsort nicht gem. § 3 Abs. 6 S. 1 – 4 UStG dort, wo die Beförderung oder Versendung beginnt (also im Drittlandsgebiet); er gilt vielmehr gem. § 3 Abs. 8 UStG als im Inland gelegen.

 

Beispiele:

Einzeleinfuhr

Unternehmer B in Basel lässt einen Gegenstand durch die Spedition S an seinen Abnehmer F in Freiburg im Breisgau versenden. Gemäß vertraglicher Lieferungsvereinbarung "frei Freiburg verzollt und versteuert" entrichtet der Spediteur als Beauftragter des B in dessen Namen und auf dessen Rechnung bei der Einfuhr ins Inland (die im Zeitpunkt der Abfertigung zum freien Verkehr stattfindet) die deutsche Einfuhrumsatzsteuer.

Der Lieferungsort gilt nach § 3 Abs. 8 UStG als im Inland belegen. B hat die Lieferung der deutschen USt zu unterwerfen und kann dabei die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, da er im Zeitpunkt der Einfuhr die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht am Einfuhrgegenstand besaß.

Reihenlieferung

Importeur I in Iserlohn bestellt Ware beim Unternehmer B in Basel und beauftragt diesen gleichzeitig, die Ware durch Frachtführer an seinen Abnehmer K in Karlsruhe zu versenden. Gemäß vertraglicher Lieferungsvereinbarung "frei Karlsruhe verzollt und versteuert" entrichtet der Frachtführer als Beauftragter des B bei der Einfuhr ins Inland die deutsche Einfuhrumsatzsteuer.

Es handelt sich um ein Reihengeschäft i. S. v. § 3 Abs. 6 S. 5 UStG. Die Lieferung des B an I ist die Versendungslieferung (sog. bewegte Lieferung, nur für diese kann § 3 Abs. 8 in Betracht kommen, Abschn. 3.13 Abs. 2 S. 3 UStAE). Der Ort der Lieferung des B liegt abweichend von § 3 Abs. 6 S. 1 UStG nicht in der Schweiz, sondern gilt gem. § 3 Abs. 8 UStG als im Inland belegen.

B hat die Lieferung der deutschen USt zu unterwerfen und kann dabei die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen.

Der Ort der Lieferung des I an K liegt gem. § 3 Abs. 7 Nr. 2 UStG dort, wo die Versendung endet, also in Karlsruhe im Inland. Die Lieferung des I an K ist steuerpflichtig; I kann die ihm von B berechnete USt als Vorsteuer abziehen.

Ausfuhrlieferung

Unternehmer F in Freiburg im Breisgau befördert einen Gegenstand mit eigenem Lkw zu seinem Abnehmer B in Basel. F entrichtet gemäß der Liefervereinbarung "frei Basel verzollt und versteuert" die schweizerische Einfuhrumsatzsteuer.

Der Ort der Lieferung des F liegt nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG dort, wo die Beförderung beginnt, also in Freiburg im Inland. Die Lieferung des F ist in Deutschland steuerbar und unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 6 UStG als Ausfuhrlieferung steuerfrei. § 3 Abs. 8 UStG ist nicht anwendbar, weil die Ware nicht vom Drittlandsgebiet ins Inland gelangt (sondern vom Inland ins Drittlandsgebiet).

 

Rz. 10

Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer i. S. d. § 3 Abs. 8 UStG ist bei richtlinienkonformer Auslegung der Vorschrift auch derjenige, dessen Einfuhren zwar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbar, aber gem. § 5 UStG steuerfrei sind.[2] Der Ort der Lieferung bestimmt sich deshalb auch in diesen Fällen nach § 3 Abs. 8 UStG. Dies gilt auch dann, wenn der Lieferer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist, diese jedoch als Kleinsendung nach der EUStBV nicht erhoben wird.[3] Nach der BFH-Rechtsprechung[4] bedarf die vertragliche Bevollmächtigung des Lieferers (z. B. Versandhändlers) eines entsprechenden wirksamen Rechtsgeschäfts, um eine andere Person (z. B. den Empfänger) zu vertreten. Für den Fall der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) kommt es deshalb u. a. auf eine wirksame Einbeziehung der AGB-Klauseln über die Bevollmächtigung in den Vertrag der Parteien sowie auf die weiteren Voraussetzungen für die Wirksamkeit von AGB-Klauseln nach §§ 305ff. BGB (früher AGBG) an. Im entschiedenen Fall einer indirekten Vertretung und daraus beabsichtigter Einfuhrumsatzsteuerschuld des Kunden lagen unwirksame AGB-Klauseln vor, weshalb von der Schuldnerschaft des Lieferers für die Einfuhrumsatzsteuer nach § 3 Abs. 8 UStG und der Steuerpflicht der Umsätze in Deutschland auszugehen war. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung des BFH angesch...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge