Rz. 25

Die Unterscheidung von Hauptstoffen und Zutaten ist im Umsatzsteuerrecht bedeutsam für die Frage, wem eine Leistung zuzurechnen ist, wo diese Leistung ausgeführt wird und ob eine Steuerbefreiung oder -ermäßigung in Betracht kommt.

 

Rz. 26

Bei der Unterscheidung zwischen Hauptstoff und Zutaten kommt es im Allgemeinen nicht auf einen Vergleich des Werts der aufgewendeten Arbeit oder des hergestellten Werks (z. B. Dichtung) mit dem Wert des Stoffs (Papier und Einband des Buchs) an, sondern auf die Unterscheidung der verwendeten Stoffe in Haupt- oder Nebenstoffe. Der Wert ist kein zuverlässiges Merkmal für die Eigenschaft eines Stoffs als Hauptstoff, sondern bestenfalls ein widerlegbares Beweisanzeichen. Auch bei zeitraubender und teurer Arbeitsleistung an einem geringwertigen Stoff kann dieser Hauptstoff sein (z. B. Leinwand und Rahmen eines wertvollen Gemäldes). Desgleichen ist ein Vergleich der Werte der verwendeten Stoffe miteinander regelmäßig kein brauchbarer Maßstab für die Eigenschaft als Hauptstoff.[1] Zu den Besonderheiten des Werteverhältnisses bei Reparaturen s. Rz. 43.

 

Rz. 27

Nebenstoffe (Zutaten) werden nicht dadurch zu Hauptstoffen, dass ohne sie das Werk nicht hergestellt werden kann. Garn ist bei der Anfertigung eines Anzugs, Lack bei der Ausbesserung eines eingebeulten Kotflügels, Reiniger bei der Entfernung von Flecken, Farbe bei der Restaurierung eines Gemäldes unentbehrlich. Die Unentbehrlichkeit von Hilfsstoffen macht diese jedoch nicht zu Hauptstoffen. Die Eigenschaft als Hauptstoff wohnt einem Gegenstand als solchem nicht ohne Weiteres inne; sie hängt vielmehr von der Bedeutung des Stoffs für die jeweilige Leistung ab. Derselbe Stoff kann das eine Mal Hauptstoff, ein anderes Mal Nebenstoff sein. Maßgebend ist, ob die Stoffe ihrer Art nach sowie aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers als Hauptstoffe oder als Nebenstoffe (Zutaten) der herzustellenden Ware anzusehen sind. Entscheidend ist, ob der vom Unternehmer beschaffte Stoff in verarbeiteter Form oder i. V. m. eigenem Stoff erworben werden soll. In diesem Fall stellt der Unternehmer Hauptstoff und bewirkt eine Lieferung. Will der Besteller seinen eigenen Stoff durch den Unternehmer i. V. m. dessen Stoff in eine bestimmte Form gebracht wissen, stellt der Unternehmer Nebenstoff zur Verfügung und bewirkt eine sonstige Leistung.[2]

 

Rz. 28

Besteht das fertige Werk aus nur einem Stoff, so lässt sich meist leicht feststellen, ob der Unternehmer einen Teil davon zur Anfertigung des Werks dazugetan hat. Setzt sich das Werk dagegen aus mehreren Stoffen zusammen, so bereitet die Frage, ob die vom Unternehmer beschafften Stoffe Haupt- oder Nebenstoffe sind, häufig Schwierigkeiten. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, ob es sich um Stoffe handelt, die bei einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines Durchschnittsbetrachters das Wesen des Umsatzes bestimmen.[3] Eine Lieferung ist anzunehmen, wenn die Stoffe eine selbstständige Bedeutung haben oder wenn diese so bedeutsam sind, dass sie den Charakter des einheitlichen Umsatzes als Lieferung bestimmen – die erbrachten Dienstleistungselemente wären dann als unselbstständige Leistungsbestandteile der Lieferung unterzuordnen. Ausschlaggebend könnte insoweit sein, ob der Besteller den vom Unternehmer beschafften Stoff in verarbeiteter Form und i. V. m. eigenem Stoff aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers erwerben will (Werklieferung) oder ob es darum geht, seinem eigenen Stoff durch den Unternehmer i. V. m. dessen Stoff eine bestimmte Form oder Eigenschaft zu geben (Werkleistung).

 

Rz. 29

Stoff – und damit auch Hauptstoff – kann grundsätzlich jeder körperliche Gegenstand sein. Als solcher wird umsatzsteuerlich auch der elektrische Strom angesehen. Weitere Voraussetzung für die Annahme einer Werklieferung ist, dass der Stoff in irgendeiner Form gegenständlich im fertigen Werk enthalten ist.[4] Das trifft nicht zu, wenn der elektrische Strom lediglich als Mittel zur Bearbeitung eines Gegenstands verwendet wird. Bei der Veredelung von Rohelektroden zu Graphitelektroden durch Erhitzung in Brennöfen mithilfe elektrischen Stroms ist der Umsatz des Veredelers an den Auftraggeber deshalb nicht als Lieferung, sondern als Werkleistung anzusehen. Die an ein Werkstück abgegebene Arbeit elektrischen Stroms ist nicht als Werkstoff zu beurteilen.[5]

 

Rz. 30

Dasselbe gilt für Gas, Wärme und Dampf; ebenso für Kohle, es sei denn, dass sie bei einer Verkokung gegenständlich in Koks umgewandelt wird.[6] Nicht gegenständlich im fertigen Werk (Bücher, Zeitschriften, Zeitungen u. dgl.) enthalten sind z. B. Bilddiapositive, Klischees, Matern, Zellophanabzüge, Dateien und ähnliche Druckvorlagen.[7]

Rz. 31 einstweilen frei

[1] BFH v. 24.6.1955, V 47/55 U, BFHE 61, 233, BStBl III 1955, 287 betr. Herstellung von Büchern aus Rohdruckbogen; BFH v. 10.9.1959, V 204/57 U, BFHE 69, 483, BStBl III 1959, 440 betr. Grabbepflanzung und –pflege; BFH v. 1.12.1960, V 301/58 U, BFHE 72, 403, BStBl III 1961, 148 betr. dasselbe Thema.

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