4.3.1 Allgemeines

 

Rz. 245

Für die umsatzsteuerliche Beurteilung von Lieferungen gelten im Insolvenzverfahren keine Besonderheiten. Wegen der mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eintretenden verfahrensrechtlichen Besonderheiten (Geltendmachen entstandener Umsatzsteuerbeträge durch Anmeldung zur Insolvenztabelle) kommt es jedoch häufig darauf an, den genauen Lieferzeitpunkt zu bestimmen (s. hierzu § 13 Rz. 139ff.).

 

Rz. 246

Umsätze des Insolvenzverwalters sind dem Gemeinschuldner zuzurechnen, denn dieser bleibt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der maßgebliche Unternehmer; insbesondere wird dem Insolvenzverwalter keine Verfügungsmacht am Vermögen des Gemeinschuldners übertragen.[1] Das Insolvenzvermögen wird dem Insolvenzverwalter also nicht geliefert, er übt lediglich das Verwaltungs- und Verfügungsrecht aus.[2] Er hat damit die Stellung eines Vermögensverwalters gem. § 34 Abs. 3 AO.

4.3.2 Lieferungen von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren

4.3.2.1 Insolvenz des Sicherungsgebers

 

Rz. 247

Gerät im Fall der Sicherungsübereignung der Sicherungsgeber (Schuldner) in Insolvenz, wird das Sicherungsgut ebenso behandelt wie ein rechtsgeschäftlich verpfändeter Gegenstand des Gemeinschuldners. Infolge des Insolvenzbeschlags[1] hat der Sicherungsnehmer (Gläubiger) kein Aussonderungsrecht wie der Eigentümer[2], sondern nur das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Sicherungseigentum.[3] Für die umsatzsteuerliche Beurteilung der in Ausübung dieses Absonderungsrechts durch den Insolvenzverwalter ausgeübten Handlungen gelten grundsätzlich die allgemeinen Grundsätze über die Verwertung von Sicherungsgut (Rz. 201ff.). Die Grundsätze zum Doppel- und Dreifachumsatz finden auch bei der Verwertung von sicherungsübereigneten Gegenständen im Insolvenzverfahren Anwendung.[4] Auf der Basis der Rechtsprechung des BFH[5] hat die Finanzverwaltung[6] die Konsequenzen aus der Verwertung von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren zusammen gestellt.

Der Insolvenzverwalter darf nach § 166 Abs. 1 InsO eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten. Hierzu ist er jedoch nicht verpflichtet. Demnach steht es dem Insolvenzverwalter grundsätzlich frei, dem Gläubiger die Verwertung nach § 170 Abs. 2 InsO zu überlassen oder die Verwertung freihändig unter Ausübung des Verwertungsrechts nach § 166 Abs. 1 InsO vorzunehmen.

4.3.2.1.1 Keine Ausübung des Verwertungsrechts

 

Rz. 248

Macht der Insolvenzverwalter nicht von seinem Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 InsO Gebrauch, sondern veräußert er stattdessen das Sicherungsgut im Namen des Sicherungsnehmers/Gläubigers, liegt ein Doppelumsatz vor. Im Rahmen dieses Doppelumsatzes liefert der Insolvenzverwalter das Sicherungsgut als Vertreter der Masse im Zeitpunkt der Verwertung an den Sicherungsnehmer/Gläubiger, welcher seinerseits zeitgleich das Sicherungsgut an den Erwerber weiterliefert. Das Entgelt für die Lieferung der Masse an den Gläubiger entspricht dem Betrag in Höhe der Schuldbefreiung, die sich für die Masse aufgrund der Verwertung durch den Gläubiger ergibt. Die vorweg zu begleichenden Kosten der Feststellung nach § 170 Abs. 2 InsO (Feststellungskostenpauschale) gehören dabei nicht zum Entgelt.[1]

[1] Vgl. dazu auch BFH v. 28.7.2011, V R 28/09, BStBl II 2014, 406, BFH/NV 2011, 1985.

4.3.2.1.2 Ausübung des Verwertungsrechts

 

Rz. 249

Verwertet der Insolvenzverwalter die einem Absonderungsrecht unterliegende bewegliche Sache für die Masse selbst, ist zwar von einer Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Sicherungsnehmer/Gläubiger auszugehen. Bei der Verwertung beweglicher Gegenstände findet jedoch ein Dreifachumsatz statt, in welchem die Geschäftsbesorgungsleistung aufgeht. Da der Insolvenzverwalter bei der eigentlichen Lieferung des Sicherungsguts an den Erwerber im Namen der Masse auftritt, ist diese Lieferung der Masse zuzurechnen. Der Insolvenzverwalter erbringt diesen Umsatz jedoch wie ein Kommissionär für Rechnung des Sicherungsnehmers/Gläubigers, weil durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verwertungsreife eingetreten ist.[1] Der Lieferung an den Erwerber ist deshalb über § 3 Abs. 3 UStG eine fiktive Lieferung des Sicherungsnehmers/Gläubigers als Kommittent an die Masse vorgeschaltet, in welcher die an sich vorliegende Geschäftsbesorgungsleistung aufgeht.[2] Im Rahmen dieses Kommissionsgeschäfts sind die Kosten der Feststellung und Verwertung nach § 170 Abs. 1 i. V. m. § 171 InsO umsatzsteuerlich genauso zu behandeln wie die Provisionen des Kommissionärs bei einem üblichen Verkaufskommissionsgeschäft.

 

Rz. 250

Der Sicherungsnehmer/Gläubiger kann das Sicherungsgut jedoch nur dann an die Masse liefern, wenn er selbst hieran Verfügungsmacht erhalten hat. Dies bedingt, dass die Sicherungsübereignung im Zeitpunkt der Verwertung zu einer Lieferung der Masse an den Sicherungsnehmer/Gläubiger geführt hat. Das Entgelt für diese Lieferung besteht in dem Betrag, um den...

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