4.1 Pfandverwertung

 

Rz. 230

Bei der Verpfändung von Gegenständen liegt wirtschaftlich betrachtet eine sonstige Leistung in Form der Darlehensgewährung durch den Pfandleiher an den Pfandschuldner vor, solange Letzterer den verpfändeten Gegenstand vor Ablauf der vereinbarten Frist gegen Zahlung des vereinbarten Betrags auslöst. Die sonstige Leistung ist unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerbefreit.[1] Eine Lieferung des Pfandobjekts durch den Pfandschuldner an den Pfandgläubiger liegt nicht vor, da der Pfandgläubiger keine Verfügungsmacht am Pfandobjekt erlangt.

 

Rz. 231

Mit Eintritt der Pfandreife erlangt der Pfandgläubiger die Verwertungsbefugnis über das Pfandobjekt. Verwertet er daraufhin das Pfandobjekt, erlangt der Pfandgläubiger durch die Verwertungshandlung Verfügungsmacht. Es werden in diesem Fall – wie bei der Verwertung von Sicherungsgut (Rz. 201ff.) – zur gleichen Zeit und am selben Ort zwei Umsätze bewirkt[2]:

  • eine Lieferung des Pfandschuldners an den Pfandgläubiger und
  • eine Lieferung des Pfandgläubigers an den Erwerber des Pfandobjekts.
 

Rz. 232

Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BFH[3] zur sog. "kalten Zwangsverwaltung" durch Insolvenzverwalter, nach der die Veräußerung im eigenen Namen aber für fremde Rechnung stattfindet, werden auch die Rechtsfolgen nach den Grundsätzen der Kommissionslieferungen angewendet.[4] Da aber auch die Lieferungen im Rahmen eines Kommissionsgeschäfts im Rahmen einer Lieferkette ablaufen, ergeben sich hieraus keine praktischen Auswirkungen.

Rz. 233–234 einstweilen frei

[2] BFH v. 8.8.1963, V 247/50 U, BStBl, III 1963, 493; BFH v. 9.7.1970, V R 32/70, BStBl II 1970, 645; BFH v. 16.4.1997, XI R 87/96, BStBl II 1997, 585 – eine gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen, BVerfG v. 13.2.1998, 1 BvR 1575/97.
[4] Vgl. Martin, in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 UStG Rz. 101 (82. EL).

4.2 Zwangsvollstreckung und -versteigerung

 

Rz. 235

Bei öffentlichen Versteigerungen oder freihändigen Verkäufen im Rahmen der Zwangsvollstreckung durch staatliche Vollstreckungsorgane (z. B. Gerichtsvollzieher) handelt es sich nicht um einen Doppelumsatz. Es liegt insoweit nach Ansicht des BFH zur Zwangsversteigerung eines Grundstücks[1] keine Lieferung des Vollstreckungsschuldners an das jeweilige Bundesland und keine Lieferung durch dieses an den Erwerber vor; vielmehr liefert der Vollstreckungsschuldner unmittelbar an den Erwerber. Den Vollstreckungsorganen komme nur die Aufgabe zu, die beschlagnahmte Sache zu verwerten. Die Begründung des Eigentums des Ersteigerers sei hoheitliche Tätigkeit; hierfür sei die Übertragung der Verfügungsmacht i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG auf das Vollstreckungsorgan nicht erforderlich. Der Umstand, dass der Umsatz aufgrund staatlichen Zwangs ausgeführt worden sei, bleibe ohne Belang, denn nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. a UStG komme ein Leistungsaustausch auch dann zustande, wenn eine Leistung aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt worden ist. Die Finanzverwaltung setzt die Rechtsprechung in Abschn. 1.2 Abs. 2 UStAE um.

Rz. 236–244 einstweilen frei

4.3 Lieferungen im Insolvenzverfahren

4.3.1 Allgemeines

 

Rz. 245

Für die umsatzsteuerliche Beurteilung von Lieferungen gelten im Insolvenzverfahren keine Besonderheiten. Wegen der mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eintretenden verfahrensrechtlichen Besonderheiten (Geltendmachen entstandener Umsatzsteuerbeträge durch Anmeldung zur Insolvenztabelle) kommt es jedoch häufig darauf an, den genauen Lieferzeitpunkt zu bestimmen (s. hierzu § 13 Rz. 139ff.).

 

Rz. 246

Umsätze des Insolvenzverwalters sind dem Gemeinschuldner zuzurechnen, denn dieser bleibt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der maßgebliche Unternehmer; insbesondere wird dem Insolvenzverwalter keine Verfügungsmacht am Vermögen des Gemeinschuldners übertragen.[1] Das Insolvenzvermögen wird dem Insolvenzverwalter also nicht geliefert, er übt lediglich das Verwaltungs- und Verfügungsrecht aus.[2] Er hat damit die Stellung eines Vermögensverwalters gem. § 34 Abs. 3 AO.

4.3.2 Lieferungen von Sicherungsgut im Insolvenzverfahren

4.3.2.1 Insolvenz des Sicherungsgebers

 

Rz. 247

Gerät im Fall der Sicherungsübereignung der Sicherungsgeber (Schuldner) in Insolvenz, wird das Sicherungsgut ebenso behandelt wie ein rechtsgeschäftlich verpfändeter Gegenstand des Gemeinschuldners. Infolge des Insolvenzbeschlags[1] hat der Sicherungsnehmer (Gläubiger) kein Aussonderungsrecht wie der Eigentümer[2], sondern nur das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Sicherungseigentum.[3] Für die umsatzsteuerliche Beurteilung der in Ausübung dieses Absonderungsrechts durch den Insolvenzverwalter ausgeübten Handlungen gelten grundsätzlich die allgemeinen Grundsätze über die Verwertung von Sicherungsgut (Rz. 201ff.). Die G...

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